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Der Schrei des Eisvogels

Der Schrei des Eisvogels

Titel: Der Schrei des Eisvogels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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wie eine Faust anspannten. Jetzt gab ihm Girlie einen flüchtigen Kuss auf die Wange und sagte: »Ach übrigens, ich dachte, du wolltest schon gestern abend hier sein. Was ist passiert?«
    Langsam entspannten sich die Nackenmuskeln wieder.
    »Tut mir leid, ich bin sozusagen aufgehalten worden. Ich hab versucht anzurufen, es war immer besetzt, und dann war die Leitung tot. Dein Ding da muss kaputt sein.«
    Girlie warf einen Blick auf ihr Handy, das ihr an einer Schnur um den Hals hing, und sagte: »Du warst wahrscheinlich zu betrunken, um die richtige Nummer zu wählen. Ich habe mit dir zu reden, Guy, das heißt, nachdem du mit Mr. Pascoe fertig bist.«
    Sein Gesicht nahm nunmehr einen reuevollen Ausdruck an. Er schwang herum, langte in eine seiner vielen Hosentaschen und zog eine Brieftasche heraus, der er einen Führerschein entnahm.
    »Hier, Inspector. Tut mir leid, dass ich mich wie ein Arschloch benommen habe. Und tut mir leid, dass ich Ihnen auf der Einfahrt ein bisschen zu nahe gekommen bin. Das nächste Mal pass ich besser auf. Tut mir leid.«
    Das Lächeln war nicht länger überlegen, sondern auf beinahe kindliche Art bittend.
    Jetzt wäre vielleicht ein noch günstigerer Moment, um einen guten Schlag zu landen, dachte Pascoe.
    Er widerstand auch diesmal der Versuchung. Oder verpasste die richtige Gelegenheit. Er sah sich den Führerschein an und sagte: »Ist das Ihr Fahrzeug, Sir?«
    »Allerdings. Das heißt, eigentlich gehört es der Firma. Sie werden feststellen, dass alles in Ordnung ist, Kfz-Steuer, TÜV und Versicherung. Was führt Sie übrigens her, Chief Inspector? Wie ein Verkehrspolizist kommen Sie mir nicht vor.«
    »Einer der Constables wird vermisst«, sagte Girlie.
    Das klang nach einem unwiderstehlichen Witz, doch statt zu lachen, verzog Guy der Erbe keine Miene, sondern sagte: »Doch nicht etwa der schätzenswerte Bendish?«
    »Sie kennen Constable Bendish, Sir?«
    »Und ob, wir hatten das Vergnügen.« Für einen Moment zuckte es um seine Mundwinkel, bevor er wieder ernst wurde und sagte: »Also, wenn es so weit kommt, das Moor durchzukämmen oder so, lassen Sie’s uns wissen. Dieses Baby hier wird mit jedem Gelände fertig, und dasselbe gilt für die hässlichen Typen, die drin sitzen.«
    Jetzt lachten alle, und die Atmosphäre entspannte sich genügend, um Pascoe einen würdevollen Abgang zu ermöglichen.
    »Ich hoffe, es kommt nicht dazu«, sagte er, »aber danke für das Angebot. Und versuchen Sie in Zukunft, nicht gar so schnell zu fahren.«
    Die Mahnung verhallte ungehört oder zumindest ohne Resonanz. Irgendwann war Frances Harding auf der Bildfläche erschienen. Guy lief auf sie zu und rief: »Da ist ja mein Butterblümchen! Fran, hast du gehört? Der liebe Constable Bendish hat sich französisch empfohlen und ist nirgends zu finden. Wir müssen alle die Augen nach ihm offenhalten, nicht wahr? Falls ihm etwas zustößt.«
    Er hatte sie erreicht und schürzte die Lippen zu einem Kuss auf den Mund, doch sie duckte den Kopf, um ihm auszuweichen, und verpasste ihm versehentlich mit der Stirn genau den Schlag, der Pascoe in den Fingern gejuckt hatte. Zumindest hielt er es für ein Versehen, wenngleich die Farbe, die ihr in die Wangen schoss, diesmal eher ein wütendes Preiselbeerrot als ein peinlich berührtes Pfirsichrosé war.
    Er sah zu ihr hinüber. Ihre Blicke trafen sich. Er lächelte, und sie sah weg.
    »Wir gehen dann wohl besser, Wieldy«, sagte Pascoe. »Schauen wir mal bei der Church Cottage rein. Wär ja möglich, dass unser Wandersmann inzwischen längst wieder daheim ist.«
    »Möglich wär’s«, sagte der Sergeant.
    »Du klingst nicht sonderlich optimistisch. Was ist los? Hast du das Gefühl, dass hier was im Busch ist?«
    Wield war ein Mann der Fakten, und wenn ihm wirklich einmal etwas nicht geheuer war, dann verdiente es Beachtung.
    »Ich weiß nicht. Ich meine, ob was im Busch ist. Auf jeden Fall hab ich das Gefühl, dass hier irgendetwas passiert ist … oder gerade passiert … oder noch passieren wird … ’ne größere Sache. Vielleicht sollte ich mich auf dieser Wellnessfarm einmieten!«
    »Lass das nur nicht den dicken Andy wissen«, sagte Pascoe, »sonst trichtert er dir literweise Lebertran ein.«
    Er sprach in beiläufigem Ton, um sich nicht anmerken zu lassen, dass Wields Vorahnung seinen eigenen sechsten Sinn für eine atmosphärische Störung bestätigte. An einem Adriastrand würden solche unguten Gefühle augenblicklich die Bademeister dazu bringen,

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