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Der Schrei des Eisvogels

Der Schrei des Eisvogels

Titel: Der Schrei des Eisvogels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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»Caddy ist sehr attraktiv.«
    »Dann glauben Sie also nicht, dass Toke eine echte Gefahr darstellt?«, hakte er nach.
    »Wer kann schon wissen, wozu jemand fähig ist, wenn er aufs falsche Gleis gerät, Sergeant? Selbst ein Polizist.«
    Sie waren den Hang hinaufgegangen und betraten nunmehr den Friedhof. Er war äußerst sorgfältig gepflegt – das Gras war gemäht, Unkraut gejätet und die Grabsteine so säuberlich von Moos und Pilz gereinigt, dass selbst die ältesten Inschriften noch lesbar waren.
    »Jemand leistet hier saubere Arbeit«, bemerkte Wield.
    »Wir wissen, was wir unseren Toten schuldig sind«, sagte Kee.
    Dieselben Namen, die er auf dem Kriegerdenkmal gelesen hatte, tauchten hier wieder auf, wenn auch ohne die Demokratie der alphabetischen Reihenfolge, so dass Tokes und Hogbins unter schlichten Platten dicht aneinandergedrängt strahlenförmig um die wuchtige Marmormasse des Guillemard-Mausoleums gruppiert lagen, über dem eine aufwendig gemeißelte Ausgabe des Vogels brütete, der ihm schon auf ihrem Wappen aufgefallen war.
    »Was ist das für ein Ding?«, fragte er.
    »Heraldisch gesehen ist es die Halkyone, die eine ruhige See garantierte, wenn sie in ihrem schwimmenden Nest brütete. In der Natur entspricht sie dem Eisvogel. Nach der Tradition, das heißt der Propaganda der Guillemards, gab es brütende Eisvögel an der Een, als die Guillemards sich hier tausendsechzig oder so niederließen, und so lange, wie sie dort bleiben, werden für die Familie die halkyonischen Tage nicht enden.«
    »Dann werden sie sich freuen, dass im Moment einer in der Gegend ist«, sagte Wield, dem Mrs. Pottingers Bemerkung wieder in den Sinn kam.
    »Mein lieber Mann, Sie haben scharfe Augen und Ohren, Sergeant«, sagte sie lächelnd.
    Wield lächelte zurück und dachte, wie schön es doch war, an Informationen zu kommen, ohne dabei Digweeds bösartige Demütigungen ertragen zu müssen.
    Als sie den Eingang zur Green Alley erreichten, zeigte er auf den Kopfstein und fragte: »Was heißt eigentlich
Fuctata non Perfecta

    »Kommt drauf an, wen Sie fragen.
Fuctata
bedeutet bemalt oder mit Rouge bedeckt und im weiteren Sinne gefälscht oder unecht. Es ist entweder Femininum Singular oder Neutrum Plural. Und so bedeutet es nach der Tradition der Guillemards entweder, dass Dinge, die angemalt sind, nicht vollkommen sein können oder dass eine geschminkte Frau etwas zu verbergen hat. In beiden Fällen soll damit gesagt sein, dass es bei den Guillemards den Spielregeln gemäß nicht mehr Schein als Sein gibt.«
    »Und wenn ich mich im Dorf umhöre?«
    »Da gibt es einige, die wohl bestätigen würden, wie ehrlich die Guillemards sind, nämlich, indem sie zugeben: Wir sind auch nicht vollkommen, wir sind alle falsche Fuffziger!«
    »Und Sie, Miss?«
    »Im Moment ist mir die Antwort am sympathischsten, die Sie von den Stammgästen im Morris kurz vor der Sperrstunde zu hören bekommen.«
    »Und die wäre?«
    »
Fuctata non Perfecta
bedeutet, ihr könnt mich alle mal! Ah, da wären wir.«
    Sie ging voraus auf eine kleine Lichtung. Der böige Wind zauste die Wolken und ließ eine magere Ration Frühlingssonne durch die ausladenden Büsche sickern und die Blüten eines alten Schneeballstrauchs aufleuchten, der eher matt gegen eine kleine Steinbank lehnte.
    »Wie seltsam«, murmelte Kee und ließ den Blick rings um die Lichtung schweifen. »Ich fürchte, sie ist weg.«
    »Was, die Mütze?«, fragte Wield.
    »Nicht nur die Mütze. Die ganze verflixte Statue.«

Acht
    »Miss H. ist ein elegantes, angenehmes, hübsches Mädchen von etwa neunzehn, nehme ich an, oder neunzehneinhalb oder neunzehneinviertel, mit Blumen im Kopf und Musik in den Fingerspitzen.«
    F rances Harding, die Pascoe zur Tür begleitet hatte, schien sich augenblicklich ins Haus zurückflüchten zu wollen. Genau in diesem Moment brach die Sonne durch die Wolken und leuchtete ihr ins Gesicht, so dass Pascoe nun deutlich sehen konnte, wovon er bis dahin nur einen vagen Eindruck bekommen hatte. Wie groß auch ihre Unsicherheit und Selbstverleugnung sein mochten, es war die Zaghaftigkeit eines ersten Frühlingstags, und er ahnte hier durchaus ein Selbst, das es zu verleugnen galt. Wenn sie den Blick einmal nicht bescheiden senkte, strahlten ihre intelligenten Augen so blau wie das Band in ihrem Haar. Für einen Augenblick fühlte er sich an jemanden erinnert. Girlie vielleicht? Oder den Squire? Wohl eher nicht.
    »Könnten Sie mir zeigen«, fragte er, »wo der

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