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Der Schrei des Eisvogels

Der Schrei des Eisvogels

Titel: Der Schrei des Eisvogels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Garten mit der Mauer ist?«
    Sie zuckte zusammen, als hätte er etwas Anstößiges gesagt, und antwortete hastig: »Ich muss wieder rein. Gronk probt gerade seinen Text.«
    »Gronk?«
    »Der Squire«, sagte sie. »Großonkel … ich nenne ihn so … also, ich muss jetzt wirklich, er hasst es, wenn die Musik fehlt.«
    »Er kann doch wohl selber auf den Knopf drücken?«
    Als sie ihn verständnislos ansah, begriff er.
    »Tut mir leid. Ich Trottel. Sie haben selber gespielt, nicht wahr? Ich dachte, es war Casals oder sonstwer vom Band.«
    Ihr blasses Gesicht rötete sich vor Freude und wandelte sich vom Schneeglöckchen zur Mandelblüte. Ein Mann konnte seine Zeit durchaus weniger sinnvoll nutzen als damit, diese Wirkung hervorzuzaubern, dachte Pascoe.
    »Also«, sagte er, »eine Minute nur. Schließlich muss er seinen Tee trinken. Und meinen! Wenn ich auf eigene Faust gehe, werde ich weiß der Himmel wo landen!«
    Sie zögerte noch eine Sekunde lang und kräuselte die Nase wie ein junges Karnickel, das wissen will, wie die Luft außerhalb des Familienbaus riecht, bis sie endlich sagte: »Meinetwegen.«
    Sie lief zügig voraus, und Pascoe hatte Mühe, mit ihr Schritt zu halten. Sie gingen ums Haus, vorbei an einem viktorianischen gusseisernen Wintergarten, der aussah, als würde er von einem innen wuchernden Weinstock zusammengehalten.
    »Das da drüben ist der Garten mit der Mauer«, sagte das Mädchen und zeigte auf einen Wall aus Granitbruchstein, der etwa zweieinhalb Meter über den ungepflegten Rasen ragte und ursprünglich wahrscheinlich mindestens so sehr dazu gedient hatte, die einheimische Bevölkerung aus- wie den Garten einzuschließen.
    Die Mauer war etwa fünfzig Meter entfernt, schätzte Pascoe, und er fragte sich, wie gut wohl die Augen des Squires waren. Beim Näherkommen sah er, dass es ein leichtes wäre, auf der Kante herumzulaufen, da der Wall, nach den Grasbüscheln zu urteilen, die zwischen den Steinen herauswuchsen, weit mehr als einen halben Meter dick sein musste. Das Tor zum Garten, das auf der vom Herrenhaus abgewandten Seite lag, war aus massiver Eiche und fest verschlossen.
    »Wie lange ist der Schlüssel schon verloren?«, fragte Pascoe.
    »Schon eine Weile«, sagte Fran unbestimmt. »Ich glaube, niemand hat ihn mehr gesehen, seit Mr. Hogbin das letzte Mal drin war.«
    »Hogbin?«, fragte Pascoe, dem einfiel, dass der alte Mann, der die Auseinandersetzung zwischen Bendish und dem Hells Angel gemeldet hatte, so hieß.
    »Er wohnt im Pförtnerhaus. Er hat sich um die Gärten gekümmert, bis er vor Weihnachten einen Schlaganfall hatte.«
    »Und seitdem wollte niemand mehr hier rein?«
    »Im Winter gibt’s nicht viel zu tun. Und Girlie sagt, es sei schon schwer genug, all das in Schuss zu halten, was man sehen kann!«
    Pascoe blickte sich um und konnte das Argument nachvollziehen. Vor ihm lag ein großer, von Büschen überwucherter Rasen, dahinter die ersten Knospen des Obstgartens, das zarte Frühlingsgrün des Waldes und über allem das brütende Braun des nackten Moors.
    »Allzuviel Pflege hat wenig Sinn, wenn Ihnen bald die Indianer Ihres Cousins Guy überall herumtrampeln«, sagte er scherzhaft. »Interessante Mischung, eine Wellnessfarm und ein Schlachtfeld.«
    Sie schüttelte so energisch den Kopf, dass sich das blaue Band löste und ihr das Haar wie ein Schleier übers Gesicht fiel und ihn daran hinderte, darin zu lesen.
    »Ich muss zu Gronk zurück«, sagte sie.
    Sie machte sich auf den Weg, blieb jedoch nach wenigen Schritten stehen und wartete.
    Ich soll also nicht frei herumlaufen, dachte Pascoe.
    Am Haus sagte er: »Danke, Miss Harding. Ich hoffe, ich habe einmal wieder Gelegenheit, Sie spielen zu hören. Wann trägt der Squire das nächste Mal vor?«
    »Morgen beim Abrechnungsfest«, sagte sie. »Da kommen alle, um ihre Pacht zu zahlen. Aber ich bin sicher, dass Sie nicht so lange in Enscombe bleiben müssen.«
    »Hoffentlich haben Sie recht«, sagte Pascoe, bevor ihm die unbeabsichtigte Unhöflichkeit bewusst wurde, aber es war ohnehin egal, da sie bereits ins Haus verschwunden war.
    Er drehte sich um und sah Sergeant Wield in Begleitung einer klassischen blonden Schönheit die Auffahrt hinaufkommen.
    Die Schöne und das Biest, dachte Pascoe. Dalziel hätte es ausgesprochen. Bin ich deshalb besser als der Dicke?
    »Guten Tag, Sir«, sagte Wield steif. »Das ist Miss Scudamore, die Inhaberin der Galerie in der High Street. Dachte, was sie zu sagen hat, könnte dich auch

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