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Der Schrei des Eisvogels

Der Schrei des Eisvogels

Titel: Der Schrei des Eisvogels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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witterte. »Hier haben die Leute Selbsthilfe praktiziert, lange bevor der Begriff zum Euphemismus für die Knauserigkeit des Staates und mangelndes Mitgefühl wurde.«
    »Und Church Cottage wurde zur Corpse Cottage. Corpse, wie Leiche. Hat Bendish Ihres Wissens Angst vor Geistern gehabt?«
    »Der junge Harry? Nein!«, lachte Lillingstone. »Viel zu vernünftig, um an Geister zu glauben.«
    Pascoe registrierte, dass »der junge Harry« die erste nicht abschätzige Bemerkung über Bendish war, die er hörte. Christliche Nächstenliebe? Solidarität mit dem Ordnungshüter? Oder echte Sympathie?
    »Aber die Hogbins waren nicht vernünftig?«
    Lillingstone lachte wieder und sagte: »Ich glaube, die Hogbins wären immer noch hier, wenn der Squire ihnen nicht das Pförtnerhaus mietfrei angeboten hätte und zusätzlich eine kleine Landpacht gegen Naturalien, zum Austausch dafür, dass Jocky sich um die Gärten der Hall kümmert. Aber es machte sich besser, weggespukt als weggelockt zu werden. Die meisten Menschen in Yorkshire lieben Fakten, und sie legen sie klipp und klar auf den Tisch. Die Enscombier dagegen sind eine Sorte für sich. Sie lieben es allemal ein bisschen aufgebauscht.«
    Wield steckte den Kopf zur Tür herein und sah Pascoe bedeutungsvoll an.
    »Wenn sonst nichts anliegt, mach ich mich dann wohl mal auf den Weg«, sagte Lillingstone.
    »Nur, wenn Sie mir den wahren Grund nennen, weshalb Sie hier sind«, sagte Pascoe. »Pfarrer sollten immer alles klipp und klar auf den Tisch legen, selbst in Enscombe, meinen Sie nicht? Kommen Sie zur Beichte, wenn Sie soweit sind.«
    Lillingstone zog mit einem äußerst verlegenen Gesicht ab.
    »Wage zu bezweifeln, dass du dieses Jahr ’ne Einladung zum Picknick der Sonntagsschule kriegst«, sagte Wield.
    »Werd’s überleben. Du hast was gefunden, stimmt’s, Wieldy?«
    »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Alles macht einen ordentlichen Eindruck. Schwer zu sagen, was fehlt, solange man nicht weiß, was vorher da war. Aber wenigstens können wir sicher sein, dass er nicht in Dienstkleidung war, als er verschwand, das ist immerhin beruhigend.«
    Er war die Treppe zum Schlafzimmer vorausgegangen. Die Schranktür stand offen. Er wies auf einen schwarzen Plastikbeutel, der darin lag. Pascoe bückte sich und machte ihn auf.
    Er enthielt zwei Polizeiuniformen, augenscheinlich frisch von der Reinigung.
    Genauer gesagt, eineinhalb Uniformen, denn Wields Adlerauge hatte eine Unstimmigkeit ausgemacht. Er nahm eine Hose heraus, sah auf das Etikett und sagte: »Wir beziehen doch nicht neuerdings von Marks & Sparks, oder?«
    »Eher unwahrscheinlich. Wieso?«
    »Da hat er die Hose her. Die richtige Farbe und ungefähr derselbe Stoff. Würde bei flüchtigem Hinsehen vermutlich durchgehen, aber nicht bei genauerer Prüfung.«
    Pascoe zuckte die Achseln und sagte: »Dann hat er sich das Original vielleicht mit Farbe bekleckert und sich geniert, es Filmer zu sagen. Der übrigens einen Tritt in den verlängerten Rücken verdient, wenn er das hier übersehen hat.«
    »Wahrscheinlich hat er es für schmutzige Wäsche gehalten«, sagte Wield beschwichtigend.
    »Während es in Wahrheit sehr saubere Wäsche ist«, sagte Pascoe nachdenklich. »Seltsam. Bendish hat gestern abend eine dieser Uniformen auf dem Gut Scarletts getragen. Und mir ist im Dorf keine Reinigung aufgefallen, die rund um die Uhr geöffnet hätte, dir etwa?«
    Bevor Wield dieses Rätsel entschlüsseln konnte, drang eine allzu vertraute Stimme die Treppe hoch.
    »Ist da jemand?«
    Pascoe ging zu dem schmalen Treppenabsatz hinaus und sah in den Flur hinunter.
    »Nur wir Zuhörer«, sagte er. »Kann ich Ihnen helfen, Mr. Digweed?«
    »Kommt drauf an«, sagte der Buchhändler und runzelte die Stirn. »Wir sind uns heute schon in der Polizeistation begegnet, nicht wahr? Ich habe Ihren Namen vergessen …«
    »Pascoe. Chief Inspector.«
    »Ach ja. Und es hat den Anschein, dass Sie der Alibigebildete in unserer hinterwäldlerischen Polizei sind. Oder hat meine Frage lediglich eine Kindheitserinnerung an auswendig gelernte Verse geweckt? Ich wage fast zu hoffen, dass selbst der wackere Sergeant Wield de la Mares
Reisenden
kennt.«
    Jetzt geht das schon wieder los, dachte Wield, während er Pascoe die Treppe hinunter folgte, und er war gespannt, ob sein Chef der Versuchung widerstehen konnte, es dem dummen alten Sack heimzuzahlen.
    Konnte er nicht.
    »De la Mares
Zuhörer
, meinen Sie, glaube ich«, sagte er höflich.

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