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Der Schrei des Eisvogels

Der Schrei des Eisvogels

Titel: Der Schrei des Eisvogels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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sein, die Wahrheit zu strapazieren. Aber wenn jemand Ihres Fachgebiets zu lügen anfängt,
das
finde ich wirklich interessant.«
    »Was in aller Welt meinen Sie?«, fragte Lillingstone und wurde rot.
    »Dieses Zimmer befindet sich vom Pfarrhaus aus gesehen auf der abgelegenen Seite, so dass Sie auf Ihrem Weg unmöglich sehen konnten, ob sich darin etwas bewegt. Außerdem, wenn Ihre Geschichte stimmen würde, hätten wir Sie, als wir vorfuhren, gerade beim Betreten des Hauses sehen müssen. Nein, mir scheint viel plausibler, dass Sie bereits drinnen waren, als Mr. Halavant hereinkam. Sie haben sich versteckt und gehofft, bei der erstbesten Gelegenheit unbemerkt verschwinden zu können. Dann haben Sie unseren Wagen gehört. Sie konnten sich ausrechnen, dass zwei Eindringlinge schwerlich unentdeckt bleiben würden, und so beschlossen Sie, sich auf die Seite der Guten zu schlagen, indem Sie Ihren Einbrecherkollegen überwältigten.«
    »Ich lehne den Begriff ›Einbrecher‹ ab«, sagte Lillingstone empört.
    »Sie glauben gar nicht, wie viele Einbrecher das tun«, sagte Pascoe. »Doch Empörung ohne Erklärung kauf ich Ihnen nicht ab. Also, Pastor, was ist das Evangelium für heute?«
    »Tut mir leid«, sagte der Mann zerknirscht. »Sie haben natürlich recht. Es gibt dafür keine Entschuldigung. Mich hat die Neugier hergetrieben, ganz gewöhnliche Neugier. Ich hatte gehört, dass Harold …, und ich dachte, in der Cottage fände sich vielleicht irgendein Hinweis, der Schlüssel zu seinem Verschwinden.«
    Pascoe, der kein Wort glaubte, sagte: »Okay. Dann mal her mit dem Schlüssel. Und fragen Sie jetzt ja nicht, welcher Schlüssel! Die Tür war nicht aufgebrochen. Wir wissen, dass Sergeant Filmer sie heute morgen abgeschlossen hat. Also den Schlüssel, bitte. Und vielleicht sagen Sie mir ja auch, woher Sie ihn haben?«
    Der Pfarrer steckte die Hand in die Tasche und zog einen rostigen Hausschlüssel hervor.
    »Im Pfarrhaus gibt es ein Schlüsselbrett«, sagte Lillingstone. »Voller alter Schlüssel, einige davon mit Aufschrift. Church Cottage war auch dabei.«
    »Wieso in aller Welt hängt im Pfarrhaus ein Schlüssel zur Polizeiwache?«, fragte Pascoe.
    »Weil die Cottage früher im Besitz der Kirche war«, sagte Lillingstone. »Die Hogbins hatten sie über Generationen gepachtet, aber irgendwann hatten sie genug davon, und sie zogen aus. Meine Brötchengeber boten die Cottage zum Verkauf an. Und Ihre Leute kauften sie.«
    »Wovon hatten die Hogbins genug?«, fragte Pascoe.
    Lillingstone lächelte erleichtert, weil er unvermutet den unbehaglichen Vernehmungsstuhl gegen den Sattel auf seinem Steckenpferd tauschen durfte, und sagte: »Von den Geistern natürlich. Es ist eine tolle Geschichte. Möchten Sie sie hören?«
    Schon wieder ein Exkurs in die Vergangenheit!, dachte Pascoe. Er musste wirklich lernen, ihnen zu widerstehen. Auf der anderen Seite bekam er zunehmend das Gefühl, dass alles, was in Enscombe vor sich ging, nur verständlich wurde, wenn man wusste, was früher gewesen war. Er hoffte, nicht in die Verlegenheit zu kommen, dieses Gefühl Dalziel erklären zu müssen.
    »Nur, wenn Sie sie gut genug kennen, um sie kurz zu machen«, sagte er.
    »Keine Angst. Sie gehört zu meinem Vortrag bei der Gesellschaft für Heimatkunde. Im Wohnzimmer ist sie am besten aufgehoben. Können wir runtergehen?«
    Bilde ich mir das nur ein, oder will er partout aus diesem Schlafzimmer raus?, fragte sich Pascoe. Sie gingen hinunter und stießen auf Wield, der gerade heraufkam.
    »Wie wär’s, wenn du dich da oben ein bisschen umsiehst?«, schlug Pascoe vor.
    Wenn es darum ging, Räume systematisch zu durchsuchen, war Wield unschlagbar, und wenn man wusste, wonach man suchte, konnte niemand Andy Dalziel das Wasser reichen. Der hatte kein System, aber eine Spürnase, die ihn direkt aufs Ziel stieß. Pascoe selbst musste sich seine tiefsitzende Abneigung gegen den Eingriff in die Privatsphäre anderer Menschen eingestehen, wodurch ihm seine Durchsuchungen zu grüblerisch und gründlich gerieten. »Pete«, hatte Dalziel einmal bemerkt, »mein Junge, falls du mal mein Zimmer durchsuchst, werde ich es sofort merken, weil du es ordentlicher hinterlässt, als du es vorgefunden hast!«
    Der Sergeant ging nach oben. Pascoe und der Pfarrer traten ins Wohnzimmer, und Lillingstone stellte sich in Rednerpose vor den Kamin.
    »Sie werden, als Sie auf die Cottage zufuhren, bemerkt haben, dass diese Wand hinter mir buchstäblich in den Hang

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