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Der Schrei des Eisvogels

Der Schrei des Eisvogels

Titel: Der Schrei des Eisvogels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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erbarmungsloserem Spott, indem er rasch sagte: »Nicht sehr wahrscheinlich, Wieldy, da der Originalschutzumschlag gewöhnlich den Wert eines Buchs vervierfacht. Stimmt’s, Mr. Digweed?«
    »Mindestens.«
    »Trotzdem sollten wir besser nachsehen«, sagte Pascoe loyal.
    Mit einem langmütigen Seufzer zog Digweed einen Schlüssel aus der Tasche und schloss die Vitrine auf. Mit den Augen und mit einem Finger ging er die Buchrücken durch und sagte schließlich: »Nein, da ist keiner drangewesen.«
    Wield griff neben ihm ins Regal, um einen Band herauszuziehen, und merkte im selben Moment, dass es möglicherweise so aussah, als stellte er Digweeds Einschätzung in Frage. Was soll’s, dachte er. Es war der Autor, der ihm ins Auge gestochen war. Da stand
Lysbeth
von seinem geliebten Rider Haggard. Der zerschlissene, ziemlich verschmutzte Schutzumschlag war gelbbraun und hatte nichts weiter als den vollen Titel,
Lysbeth, A Tale of the Dutch
, und den Namen des Autors auf dem Deckblatt sowie den des Verlags, Longman & Co., in blauen Lettern auf dem Rücken.
    Digweed wich ihm nicht von der Seite, als fürchte er, Wield könnte den Band wie eine Zirkuseinlage in der Mitte durchreißen.
    »Kann ich das bitte haben, Sergeant?«, sagte er. »Es sei denn, Sie denken daran, das Buch zu kaufen.«
    »Nein«, sagte Wield, »das hab ich schon.«
    »Tatsächlich? Aber nicht diese Ausgabe, nehme ich an«, sagte Digweed mit seinem besten schulmeisterlichen Lächeln.
    »Doch, doch«, sagte Wield. »Genau dieselbe, nur dass meine wesentlich besser in Schuss ist. 1901 erschienen, nicht?«
    Er öffnete den Band, um nachzusehen, sah, dass er recht hatte, und entdeckte außerdem den getippten, eingelegten Zettel mit einer Beschreibung und dem Preis.
    »Wahnsinn!«, rief er aus.
    Digweed nahm ihm das Buch aus der Hand. Sein Lächeln war verflogen.
    »Wenn Sie wirklich ein Exemplar dieser Ausgabe haben«, sagte er, »dann können wir vielleicht ins Geschäft kommen, Sergeant.«
    »Nein, danke«, sagte Wield. »Hat einen ideellen Wert für mich. Ich hab sie von meiner Tante. Und außerdem lese ich sie gerne.«
    »Sie? Sie meinen, nicht nur eins?«
    Pascoe, der amüsiert zugehört hatte, sagte: »O ja. Sergeant Wield hat, soviel ich weiß, die vollständige Ausgabe von Haggard, stimmt’s, Wieldy?«
    »Die Erstausgabe?«, hauchte Digweed.
    »Kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen«, antwortete Wield. »Hab nie nachgesehen.«
    »Mit Schutzhüllen?«
    »Und ob, sie haben alle Umschläge, damit sie nicht dreckig werden. Dafür sind die Dinger doch gedacht, oder?«
    »Ja sicher.« Digweed stellte das Buch zurück. »Sind Sie mit denen hier durch? Gut.« Er schloss die Vitrine ab und lächelte Wield zu. »Verzeihen Sie, Sergeant, wenn ich eben vielleicht ein bisschen schroff gewesen bin. Sie haben völlig recht. Man kann nicht wissen, was für ein Buch in einem Schutzumschlag steckt. Und Sie, Mr. Pascoe, sind Sie auch Sammler? Von Inkunabeln vielleicht?«
    Wield konnte sehen, dass Pascoe wusste, was das hieß.
    »Weit davon entfernt«, sagte er lächelnd. »Etwa vierhundert Jahre, um genau zu sein. Wenn ich überhaupt etwas sammle, dann, wie ich zu meiner Schande gestehen muss, Krimis. Wie Sergeant Wield habe auch ich ein paar Erstausgaben geerbt. Von meiner Großmutter. Sie hatte, zugegebenermaßen, ein Faible für Krimiautoren, weniger für Rider Haggard. Sie hatte eine gute Sammlung Agatha Christies aus der Vorkriegszeit. Vermutlich hatte sie sogar irgendwann einmal die vollständige Sammlung, aber sie hat sie zum Lesen, nicht zum Sammeln gekauft, und es bereitet mir eine gewisse Freude, die Lücken zu füllen, wenn auch, wie ich hinzufügen muss, meistens ohne Schutzhüllen.«
    »Ja, die können wirklich ganz schön teuer sein«, sagte Digweed und sah Pascoe dabei mit einem säuerlichen Blick an. Vielleicht hatte er was gegen das Sammeln von Krimis.
    »Aber zur Sache«, sagte Pascoe kurz angebunden. »Sie wohnen hier im Haus?«
    »Ich habe oben eine Wohnung.«
    »Und sind Sie heute morgen nach dem Aufstehen gleich in den Laden gegangen?«
    »Nein. Ich öffne erst um zehn, und als ich die Tür aufschloss, kam Sergeant Filmer im Eilschritt vom Café herüber, wo Miss Creed ihm versichert hatte, ich könnte ihm eine erstklassige Beschreibung dieses schrecklichen Hells Angel geben, der Constable Bendish entführt hätte.«
    Er warf Wield einen Blick zu, der ihn zum Mitlachen einlud. Schon seltsam, was ein paar alte Erstausgaben bewirken können,

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