Der Schrei des Eisvogels
Dalziel ab, der ihm mit der Gleichgültigkeit eines Grizzlys gegenüber einer Stechmücke nachblickte.
»Gentlemen, wie kann ich Ihnen helfen?«, fragte Girlie und zündete ihre Pfeife wieder an.
»Das ist Superintendent Dalziel, Miss Guillemard«, sagte Pascoe.
»Angenehm, Missus«, sagte Dalziel. »Wohl möglich, mit Ihrem Großpapa zu reden?«
»Wozu?«, fragte sie und blies ihm eine Rauchwolke ins Gesicht.
Pascoe wartete gespannt. Selbst die Anwesenheit der Queen Mother würde Dalziel nicht daran hindern, das Thema von Bendishs mutmaßlicher Erektion anzuschneiden, wenn ihm danach war.
Ihm war nicht danach. Wie ein Drache, dem das Feuer ausgegangen ist, atmete er den Rauch ein und sagte: »Wollte nur um Erlaubnis bitten, mich in den Grünanlagen ein bisschen umzusehen.«
»Auf dem Gut, meinen Sie? Willkommen.«
»Das geht doch in Ordnung?«, fragte Dalziel stirnrunzelnd nach. »Ich meine, Sie sind autorisiert …?«
Sie war nicht in der Stimmung, sich ärgern zu lassen.
»So wie Ihr Typen euch den Teufel um unbefugtes Betreten schert, ist jeder autorisiert. Aber falls Sie einen Schrieb brauchen, kann ich Ihnen gerne einen unterzeichnen.«
Creed erschien im Raum, eine Schinkenkeule in der Hand. Er nickte Wield zu.
»Wieder Ruhe eingekehrt im Lämmerstall, was?«, fragte Wield zurück.
»Kaum, aber wenn die Herrschaft mit dem Finger schnippt, was bleibt einem armen Bauern da anderes übrig, als alles stehen und liegen zu lassen?«
Er sprach in scherzhaftem Ton, der Girlie eher zu amüsieren als zu irritieren schien.
»George«, sagte sie. »Wenn Sie den Schinken in die Küche bringen würden. Gentlemen, wir sehen uns sicher später noch.«
Gedankenverloren sah Dalziel ihnen nach, klatschte dann in die Hände und sagte: »Also, wo ist denn nun dieser ummauerte Garten?«
Pascoe führte sie um das Haus und wies unterwegs auf den Wintergarten.
»Also von hier aus hat der Squire gesehen, wie Dirty Harry den Familienschmuck blitzen ließ.«
»Behauptet er. Aber wie eine Menge Leute hier draußen scheint er in mehr als einer Welt auf einmal zu leben«, sagte Pascoe.
»Er war sich immerhin sicher genug, um Tommy Winter davon zu schreiben«, sagte Dalziel. »Wo ist das Tor?«
»Hinterm Haus, aber man kommt nicht rein. Der Schlüssel ist weg, seit der alte Mr. Hogbin seinen Schlaganfall hatte.«
»Ach ja? Gucken wir trotzdem mal nach.«
Als sie am Tor angelangt waren, drückte Dalziel die Klinke und rüttelte heftig daran, um sich davon zu überzeugen, dass tatsächlich abgeschlossen war.
»Soll ich rüberklettern, Chef?«, fragte Wield im Vertrauen auf seine durchtrainierte Gelenkigkeit.
»Nicht nötig, Tarzan«, sagte Dalziel und zog etwas aus seiner Tasche, das wie ein Füllfederhalter aussah, das sich aber zu einem Bouquet an Instrumenten entfaltete wie ein Schweizer Taschenmesser.
Pascoe, der es nicht zum ersten Mal sah, stöhnte und sah weg, wie er es immer noch tat, wenn im Fernsehen etwas besonders Unangenehmes oder Peinliches bevorstand.
Als er wieder hinsah, stand das Tor offen.
»Gut. Nichts wie rein«, sagte der Dicke.
Das war nicht, wie Pascoe sofort sehen konnte, der geheime Garten der alten Kindergeschichte, in dem Büsche und Blumen ungehindert unkrautbewachsene Ruinen überwuchern. Dies hier war ein Garten, der seinen Lebensunterhalt verdiente, mit Bohnenstangen, Spargel- und Frühbeeten sowie Kompostgruben. Nicht, dass es an Farbe gefehlt hätte. Rings an der Innenseite der Mauer standen verschiedene Obstbaumsorten in unterschiedlichen Farben und Stadien der Blüte, während rote und schwarze Johannisbeerbüsche ihre blühenden Girlanden über die schmalen Kieswege hängten. Auch machte er gar keinen so vernachlässigten Eindruck. Gewiss, es gab einiges zu tun, aber derjenige, dessen Garten nach einem langen, feuchten Winter nicht ein bisschen ungepflegt aussieht, hätte schon unermüdlich daran arbeiten müssen. Pascoe, der nicht viel davon verstand, schien es, als habe jemand durchaus die Dinge in Schuss gehalten, was – wenn man bedachte, dass angeblich seit dem Herbst der Schlüssel unauffindbar war – eine weitere vermutlich bedeutungslose Merkwürdigkeit darstellte, die sich zu den anderen gesellte.
Dalziel ging zielstrebig auf einen langen Schuppen mit Pultdach zu, der an der Südwand angebaut war, vermutlich, weil er hier am wenigsten Sonnenlicht wegnahm. Wärme war hier mitten im Heidemoorland von größter Wichtigkeit, weshalb wohl überhaupt die Mauer um den
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