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Der Schrei des Eisvogels

Der Schrei des Eisvogels

Titel: Der Schrei des Eisvogels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Tasche.
    »Ich bin, fürchte ich, ein Verräter an meinem Kontinent. Mögen andere Hymnen auf schottische Whiskys und feine französische Brandys singen. Für mich ist das hier die wahre Quelle der Musen, der wahre Spiritus sacer.«
    Selbst für seine Verhältnisse plapperte er ziemlich viel, doch das war Wield egal. Soviel hatte er von Dalziel gelernt: Bietet dir jemand einen Drink an, kipp ihn runter und frag dann nach seinen Motiven. Außerdem hatte er noch nie Bourbon getrunken.
    »Ich hol Gläser«, sagte er.
    »Nicht nötig«, sagte Digweed. »Da ich vermute, dass der junge Bendish nicht alt genug ist, um anständige Gläser zu würdigen oder auch nur, sie sich zu leisten, habe ich mir die Freiheit genommen und vorsichtshalber …«
    Er brachte zwei kunstvoll geschliffene Cognacgläser zum Vorschein, deren goldenes Kristall das Licht einfing, als wären sie mit Sonnenschein gefüllt.
    Wield, der schlichtes Glas liebte, fand, dass sie ein bisschen zuviel des Guten waren, und beinahe dasselbe galt für die Menge, die Digweed eingoss, doch als er die weiche Süße des Bourbons auf der Zunge schmeckte, konnte er ohne Scheinheiligkeit sagen: »Der ist klasse.«
    Der Buchhändler lächelte und goss sein Glas noch einmal voll. Wield setzte sich behaglich zurück. Früher oder später würden sie auf die wahren Motive kommen. Solange der Nektar reichte, hatte er Zeit.
    »Diese Rider Haggards, die Sie erwähnten«, sagte Digweed.
    »Ach so?«, sagte Wield, etwas enttäuscht, dass es so schnell gegangen war.
    Er hatte wohl mehr verraten als beabsichtigt, denn Digweed fügte hastig hinzu: »Nein, nein, das soll nicht heißen, dass Sie sie verkaufen sollen, aber ich würde sie mir gerne einmal anschauen. Eine vollständige Erstausgabe von Haggard mit Schutzumschlägen, das wäre wie …«
    Ausnahmsweise einmal schienen ihm die Worte zu fehlen. Vielleicht fiel der armen Sau nichts Aufregenderes ein als Bücher!
    »Aber kein Wort mehr von Büchern! Ich kann nicht zulassen, dass Sie an meinen lauteren Motiven zweifeln.«
    »Bringt der Job so mit sich«, sagte Wield leichthin.
    »Vermutlich. Sind Sie schon immer Polizist gewesen?«
    »Für ’ne Weile war ich ein Kind.«
    Digweed lachte aufrichtig, nicht sein verächtliches Schnauben, so dass sich Wield ermutigt fühlte, eine Idee mehr aus sich herauszugehen.
    »Angefangen hab ich als Lehrling bei einem Zeichner, ist aber nichts bei rausgekommen. Und so bin ich bei der Polizei gelandet«, sagte er.
    Im Alter von siebzehn; in Panik, als ihm sein scharfsinniger Boss den Hof und seine Sexualität bewusst machte; eine Macho-Geste, mehr war ihm nicht eingefallen.
    »Ein Zeichner?«, sinnierte Digweed. »Zeichnen Sie immer noch?«
    »Nicht wie Ihr Großvater«, sagte Wield und strich über das Buch. »Nur graphische Darstellungen von Tatorten. Und Sie? Haben Sie vor dem Ruhestand einen richtigen Beruf ausgeübt?«
    Uups! In dem Bestreben, das Gespräch von seiner Person abzulenken, hatte er sich, was sonst nicht seine Art war, ziemlich ungeschickt angestellt. Dieses Zeug wirkte verdammt schnell!
    Digweed zog die Augenbrauen hoch und trommelte mit den Fingern auf der Flasche.
    »Ich vermute mal stark, dass einem auch zum Polizeidienst ein paar ähnlich negative Vorurteile einfallen könnten«, sagte er trocken. »Bücher zu verkaufen ist ein richtiger Beruf, glauben Sie mir. Ich hab übrigens auch mal für Recht und Ordnung gesorgt, als Anwalt. Aber da ich lange im Ausland gelebt habe, waren die Möglichkeiten, meinen Beruf auszuüben, sehr begrenzt. Ich bin vor zehn Jahren nach Großbritannien zurückgekommen, mit der Absicht, eine Nische in der Geschäftswelt zu finden. Aber statt dessen fand ich eine Welt vor, in der ein so entsetzlicher Haufen von Deppen das Sagen hatte, dass ich entschlossen war, ein halbes Jahr später wieder wegzugehen. Glücklicherweise bin ich zuerst noch einmal an die Stätten meiner Kindheit und Jugend gefahren, teils aus Sentimentalität, teils, um ein paar Eigentumsfragen zu regeln. Und als ich feststellte, dass zumindest hier in Enscombe vieles noch so war wie früher, beschloss ich, mich hier niederzulassen und mir einen lang gehegten Berufswunsch zu erfüllen, nämlich alte Bücher zu verkaufen.«
    Wield nahm noch einen Schluck und sagte: »Wenn man Sie so hört, könnte man meinen, dieser Ort wäre etwas Besonderes, ich meine, etwas wirklich Besonderes, beinahe vollkommen.«
    »Gütiger Himmel, nein! Enscombe ist entschieden
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und

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