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Der schüchterne Junggeselle

Der schüchterne Junggeselle

Titel: Der schüchterne Junggeselle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. G. Wodehouse
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Haben Sie ihn beim Essen gesehen?«
    »Ja«, antwortete George geduldig. »Und sein Gesicht hat mir gar nicht gefallen. Er sieht kalt und bös aus, so wie ein Mann, der das Herz eines impulsiven jungen Mädchens durchaus brechen könnte. Ich bin fest davon überzeugt, was Miss Waddington braucht, ist ein Mann, der alles für sie aufgeben könnte – der auf die Erfüllung seines innigsten Herzenswunsches verzichten könnte, um ein Lächeln auf ihr Gesicht zu bringen – der sie anbeten, zu seinem Heiligtum machen und kein anderes Ziel in seinem Leben kennen würde, als ihr Sonnenschein und Glück zu bringen.«
    »Meine Frau«, sagte Mr. Waddington, »ist viel zu dick.«
    »Wie bitte?«
    »Viel zu dick.«
    »Miss Waddington hat, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, eine ganz besonders schöne Gestalt.«
    »Zuviel stärkehaltige Nahrung und keine Bewegung – das ist das Malheur. Meine Frau müßte ein Jahr auf einer Ranch verbringen. Sie müßte unter Gottes Sonne über die Prärien reiten.«
    »Gestern hatte ich Gelegenheit, Miss Waddington im Reitkostüm zu sehen. Es steht ihr ausgezeichnet. Viele Mädchen sehen ja in Reithosen schauderhaft aus, aber Miss Waddington war bezaubernd. Das Kostüm unterstrich, möchte ich sagen, jene knabenhafte Leichtigkeit der Haltung, die für mein Gefühl zu Miss Waddingtons Haupt …«
    »Und es wird auch nicht mehr lange dauern, bis ich sie so weit habe. Ich muß Ihnen als verheirateter Mann – zweimal verheiratet, Winch, aber meine erste Frau, das arme Ding, ist vor einigen Jahren gestorben – etwas sagen. Um mit seiner Frau fertig zu werden, um ihren Willen zu beugen, wenn ich mich so ausdrücken darf, dazu muß man pekuniär ganz unabhängig sein. Es hat gar keinen Zweck, seine Frau beugen zu wollen, wenn man fünf Minuten später fünfundzwanzig Cents für eine Zigarre verlangen muß. Vollständige pekuniäre Unabhängigkeit, darauf kommt es an, Pinch, und ich werde bald soweit sein. Vor einiger Zeit konnte ich eine Summe Geldes auftreiben – auf welche Weise, brauchen wir jetzt nicht zu erörtern –, und dafür kaufte ich ein großes Paket Aktien von einer Hollywooder Filmgesellschaft. Haben Sie schon von der ›Schöneren und Besseren Filmgesellschaft Hollywoods‹ gehört? Lassen Sie sich von mir sagen, daß Sie noch davon hören werden. Sie wird sich groß entwickeln, und in sehr kurzer Zeit werde ich ein ungeheures Vermögen haben.«
    »Apropos Film«, sagte George, »ich will ja nicht leugnen, daß manche von den Frauen, die in dieser Industrie beschäftigt werden, gewisse oberflächliche Reize haben, aber eines laß ich mir nicht nehmen, es fehlt ihnen die ausgesprochene Reinheit, die auf Miss Waddingtons Gesicht geschrieben steht. Auf mich wirkt Miss Waddington wie …«
    »Ich werde groß herauskommen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit.«
    »Das erste, was jedem auffallen muß, der Miss Waddington sieht …«
    »Tausende und Tausende Dollar. Und dann …«
    Was Mr. Waddington sagen wollte, muß ewig ein historisches Rätsel bleiben. Denn gerade als er Atem holte, um es auszusprechen, öffnete sich die Tür, und eine strahlende Erscheinung trat über die Schwelle. Mr. Waddington blieb mitten im Satz stecken, und Georges Herz schlug drei Purzelbäume und landete an seinen Zähnen.
    »Mutter hat mich heruntergeschickt, ich soll nachsehen, was aus dir geworden ist«, sagte Molly.
    Mr. Waddington gelang es halbwegs, eine würdige Miene aufzusetzen.
    »Ich wüßte nicht, mein liebes Kind«, sagte er, »daß irgend etwas ›aus mir geworden ist‹. Ich habe bloß die Gelegenheit ergriffen, mich ruhig mit meinem jungen Freund aus dem Westen zu unterhalten.«
    »Ja, du kannst dich doch nicht ruhig mit deinen jungen Freunden unterhalten, wenn du eine Menge wichtiger Leute zum Dinner bei dir hast.«
    »Wichtige Leute!« Mr. Waddington stieß ein strenges Schnauben aus. »Ein Haufen überfütterte Unannehmlichkeiten. In Gottes Land würde man sie sofort lynchen.«
    »Mr. Brewster Bodthorne hat ganz besonders nach dir gefragt. Er will Dame spielen.«
    »Die Hölle«, sagte Mr. Waddington in einem Ton, als zitierte er Dante, »ist von lauter ›Fusionierten Zahnbürsten‹ bewohnt.«
    Molly legte die Arme um den Hals ihres Vaters und küßte ihn zärtlich – was George einen leisen, aber scharfen Schmerzenslaut entlockte, ähnlich dem erstickten Schrei eines starken Schwimmers, der am Ende seiner Kräfte angelangt ist. Es gibt Grenzen des Erträglichen. »Du

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