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Der Schuldige: Roman (German Edition)

Der Schuldige: Roman (German Edition)

Titel: Der Schuldige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Ballantyne
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ihn warteten.
    Es war ihre Verlässlichkeit, die er vor allem liebte. Sie hatte die Gabe, ihm ihre Welt zu zeigen und sie dann Tag für Tag zu wiederholen. Dinge passierten, wenn sie sagte, dass sie passieren würden. Sie sagte, sie würde ihn adoptieren, und das tat sie. Der Richter hatte sein Gesicht verzogen, als er die Papiere sah, die ihm vorgelegt wurden, und Daniel war flau im Magen geworden, aber er hatte tatsächlich zu ihren Gunsten entschieden und ihn zu Minnies Sohn erklärt, genau so, wie sie es versprochen hatte.
    Daniel sah sie inzwischen anders. Er liebte bereits ihren schweren Körper und ihre weiche Massigkeit, aber nun erkannte er in ihr eine neue Macht. Er vertraute ihr. Sie war imstande, die Dinge zu bekommen, die sie haben wollte; sie lagen in ihrer Reichweite. Sogar Daniels Schicksal hatte sie im Griff. Wenn er an sie dachte, fiel ihm ein, wie sie den bellenden Blitz im Nacken packte, wenn sie ihn zurückhielt, um Fremden die Tür zu öffnen.
    Daniel ging jetzt langsamer. Sein Atem war ungleichmäßig. Er holte tief Luft und genoss den Geruch des warmen Sommergrases. Der Himmel war blau und so wolkenlos, dass ihm von dessen Unendlichkeit schwindlig wurde.
    Er hörte Stimmen und dann Schritte hinter sich. Er blickte sich über die Schulter um und sah, dass es die drei älteren Jungen waren, die ihn schon einmal verprügelt hatten. Inzwischen kannte er ihre Namen: Liam, Peter und Matt. Sie waren in der Schule im Jahrgang über ihm.
    Er fühlte Spannung in seine Muskeln hineinkriechen. Er ging, als würde er die Jungen nicht bemerken, betonte aber seinen Schritt und den Schwung seiner Schultern. Er hörte ihre Unterhaltung, obwohl er vermutete, dass sie mindestens fünf Meter hinter ihm waren. Sie sprachen über Fußball, aber dann verstummten sie plötzlich, und Daniel fühlte, wie sich die Haare in seinem Nacken aufrichteten. Er versuchte, auf ihre Bewegungen zu lauschen.
    »Wie geht’s denn der alten Hexe, Danny, he?«, rief einer. »Hat sie dir schon ’n paar Zaubersprüche beigebracht?«
    Die Stimme war nahe.
    Daniel achtete nicht auf sie. Er biss die Zähne zusammen und ballte die Hände zu Fäusten.
    »’ne fette Hexe wie sie. Möchte sehen, wie sie zu fliegen versucht …«
    Daniel blickte wieder über seine Schulter und sah, wie einer der Jungen einen Ritt auf dem Besenstiel nachahmte, dann stol perte und ins Gras fiel. Dann lachten sie alle: dreckiges Ge lächter. Die Stimmen waren großmäulig und tief; jüngst umgekippte Stimmen, voll Hohn.
    Daniel drehte sich zu ihnen um. Sofort bauten sich die Jungen auf, die Füße auseinander und die Hände aus den Hosentaschen.
    Es entstand eine Pause, sodass Daniel nichts als das Rauschen in seinen Ohren hörte.
    »Haste ’n Problem?« Es war Peter, der sprach, Kinn schräg, Augen zusammengekniffen, und Daniel zu suggerieren ver suchte, mit etwas anzufangen.
    »Quatsch nicht über sie, okay?«
    »Oder du machst was?«
    »Dich verprügeln.«
    »Yeah, du und wem seine Armee?«
    Es war wie vorher. Daniel ging auf den Jungen los und rammte ihm den Kopf in den Bauch. Er war noch immer größer als Daniel. Er fühlte die Faust des Älteren auf seine Rippen hämmern und atmete vor Schmerz ein. Er hörte die anderen beiden höhnen: Schlag ihn, Pete. Schlag ihn.
    Daniel erinnerte sich, wie er gegen den Freund seiner Mutter gekämpft hatte, gegen den, der ihn an den Haaren vom Boden hochgezogen hatte. Er fühlte die Wut rasch, strahlend und heftig durch seinen Körper schnellen. Der Ruck war stärkend, reinigend. Er traf Peter, und der fiel hin, und dann trat er ihm ins Gesicht, bis er sich wegdrehte.
    Darauf machten sich die anderen Jungen über Daniel her, aber er war angespannt von der Attacke und spürte nicht ihre Fäuste an Armen und Oberkörper. Er versetzte Matt einen Schlag auf die Nase und fühlte in seinem Knöchel das Knacken widerhallen, dann trat er Liam in den Unterleib.
    Daniel taumelte von ihnen weg. Seine Faust brannte, und er guckte nach unten und sah den Riss am Knöchel, aber als er ihn berührte, merkte er, dass es nur Matts Blut war. Noch einmal fuhr er herum, um ihnen das Gesicht zuzuwenden.
    »Noch ein Wort über sie, und ihr seid tot.«
    Das Wort tot flog wie eine Gewehrkugel aus seinem Mund. Es hallte in dem weiten Umfeld wider. Vögel stoben in seinem Nachhall auseinander.
    Die Jungen, ins hohe Gras niedergestreckt, sagten nichts. Noch immer vorsichtig entfernte sich Daniel von ihnen, betonte aber dennoch seinen stolzen

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