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Der Schuldige: Roman (German Edition)

Der Schuldige: Roman (German Edition)

Titel: Der Schuldige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Ballantyne
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sauer, schwarz –, dass er es nicht ertrug, wenn sie wiederholt wurden.
    Daniel stand vom Tisch auf und fühlte sogleich Minnies warme Hände auf seinen Schultern.
    »Es ist gut so, Liebling«, sagte sie. »Lauf nicht davor weg. Ich werde immer für dich da sein.«
    Wenn Daniel sich in späteren Jahren an diese Worte erinnerte, zwangen sie ihn immer, schneller zu laufen.
    Es war ein Schock, aber auch eine seltsame Freude. Er fühlte den Schlag, als würde man ihn schütteln oder boxen, aber danach den Schmerz und die sonderbare Erregung. Sein Herz pochte, seine Zunge klebte am Gaumen, seine Augen waren weit aufgerissen und trocken.
    Tot?
    Luft plätscherte in seinem Mund, als wäre ihm die Kehle durchgeschnitten worden.
    Tot.
    Er blickte nach unten und sah Minnies Hand auf seinem Arm; ihre warmen Finger, die so viel sicherer waren als die Hände seiner eigenen Mutter. Sie waren stark wie ein Tau, dem er genug vertrauen konnte, um von einem Felsen hinunterzuspringen, wissend, dass es ihn – schwebend in Raum und Zeit – halten und ihm das Gewicht abnehmen würde, während die Schwerkraft ihn nach unten zog.
    Tot.
    Danny kringelte sich um Minnie. Sie lud ihn nicht dazu ein. Sie zog ihn nicht an sich, aber er kringelte sich dennoch um sie, wie ein Blatt sich im Herbst zusammenkringelt, weil es keine Kraft mehr hat.
    »Ja«, sagte sie. »Ja, ja, mein Schatz, mein geliebtes Kind. Du empfindest es nicht so, aber du bist frei – du bist jetzt frei.«
    Er fühlte sich nicht frei, sondern bindungslos, und die Furcht davor ließ ihn sich wieder an sie schmiegen. Zum ersten Mal gab er sich ihr wirklich hin und bat sie um ihre Liebe.
    Später machte sie ihm eine Tasse Tee, und er war voller Fragen.
    »Wie ist sie gestorben?«
    »Es war eine weitere Überdosis, Schatz. Eine große.«
    Er hielt den Becher Tee mit beiden Händen und trank daraus in kleinen Schlucken.
    »Kann ich sie sehen? Wird sie irgendwo beerdigt?«
    »Nein, Schatz, sie ist verbrannt worden. Aber du hast ja immer noch deine Halskette und kannst an sie denken, wann immer du möchtest.«
    »Ich hätte bei ihr sein sollen. Ich hätte den Krankenwagen rufen können. Ich rufe den Krankenwagen immer rechtzeitig.«
    »Es ist nicht deine Schuld, Danny.«
    »Es war nur, weil sie allein war.«
    »Es ist nicht deine Schuld.«
    Der Gedanke kam ihm, wie früher von Brampton nach Newcastle zu trampen, aber jetzt, da sie tot war, hatte das keinen Sinn mehr. Minnie war jetzt seine Mum, und er würde versuchen, es zu etwas zu bringen.

23
    Die Anklage versuchte inzwischen eindeutig, Sebastian als bösartiges Kind hinzustellen. Die Zeugenliste für den Tag enthielt Nachbarn der Crolls, Kinder von Sebastians Schule und seinen Lehrer. In Abwesenheit der Geschworenen erhob Irene Einspruch gegen die Art und Weise der Befragung als einen Versuch, den Zeugen irrelevante Beweise für einen schlechten Charakter zu entlocken, aber der Richter ließ einigen Spielraum zu, insbesondere im Zusammenhang mit Sebastians Ruf als eines brutalen Rabauken, da er fand, das hänge mit der Straftat zusammen.
    Sebastian war heute rege und auf den Prozess konzentriert. Es hatte keine Kritzeleien und kein Gezappel mit den Beinen gegeben. Sein Vater saß nicht länger im Gerichtssaal. Daniel hatte mit Charlotte gesprochen, die ihm sagte, Kenneth sei ins Ausland gerufen worden, werde aber in wenigen Tagen zurückkehren. Charlotte wirkte überreizt: nichts als gespannte Sehnen und tief liegende Augen und zitternde Fingerspitzen. Sie habe Angst, für eine Zigarette nach draußen zu gehen, sagte sie Daniel, weil dann die Journalisten über sie herfallen würden. Sie könne die Lügen nicht ertragen, die über ihren Sohn geschrieben würden. Daniel hatte ihren Ellbogen gedrückt und gesagt, sie solle gefasst bleiben. Es wird noch schlimmer, bevor wir an der Reihe sind , sagte er zu ihr. Darauf stellen Sie sich besser ein .
    »Die Staatsanwaltschaft ruft Mrs. Gillian Hodge auf.«
    Daniel sah sie zum Zeugenstand gehen. Die Journalisten auf der Galerie schrieben hektisch los, als sie die rechte Hand hob und schwor, die Wahrheit zu sagen. Sie war Nachbarin sowohl von den Crolls als auch von den Stokes’ und Mutter von zwei kleinen Mädchen. Daniel hatte mit Irene auf der Party in der Kanzlei über sie gesprochen. Ihre Stimme war klar und stark, ihre Gestik selbstbewusst und ruhig. Sie war berufstätig, doch mütterlich, mit ehrlichen, strahlenden Augen und gleichmäßigen, markanten Zähnen. Daniel faltete die

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