Der Schuldige: Roman (German Edition)
mit ihm nicht mehr spielen werde.«
»Danke, Mrs. Hodge.« Gordon Jones brachte seine Notizen in Ordnung und setzte sich.
»Mrs. Hodge.« Irene war gelassen.
Daniel beugte sich an dem Tisch nach vorn, eine Hand unter dem Kinn. Eine Sekunde darauf tat Sebastian dasselbe, er kopierte Daniels Haltung.
»Sagen Sie, wie lange wohnen Sie schon neben den Crolls und den Stokes’?«
»Ich … weiß nicht genau, ungefähr drei oder vier Jahre.«
»Da sind Sie in den Richmond Crescent gezogen?«
»Ja.«
»Die Kinder haben zusammen gespielt. Haben Sie mit irgendwelchen von den Eltern auch Zeiten privat verbracht?«
»Ja, natürlich, bei einem Glas Wein oder einer Tasse Kaffee hier und da – öfter mit Madeline, würde ich sagen –, aber ich war auch ein-, zweimal zu Besuch bei … Charlotte.«
»Sie haben Charlotte Croll von Sebastians Verhalten gegenüber Ihrer Tochter erzählt, und Sie sagen, sie habe sich nicht dafür interessiert? Eine Nachbarin, mit der Sie gesellschaftlichen Umgang hatten? Erwarten Sie von uns, dass wir das glauben?«
Gillian schien ein wenig zu erröten. Ihre großen Augen suchten den Gerichtssaal ab und blickten dann nach oben. »Sie war … verständnisvoll … aber es änderte sich nichts. Es schien, als hätte sie keine Kontrolle …«
»Mrs. Hodge, dieser Vorfall, von dem Sie berichten, bei dem Sebastian Ihre Tochter angeblich mit einer Glasscherbe bedroht hat … haben Sie außer der Mutter des Jungen noch jemandem davon erzählt?«
Mrs. Hodge riss ihre Augen weit auf. Sie blickte zu Irene hoch und schüttelte den Kopf.
»Sie schütteln den Kopf. Haben Sie den Vorfall nicht der Polizei oder auch nur der Schule – einem Sozialarbeiter gemeldet?«
Mrs. Hodge räusperte sich. »Nein.«
»Warum nicht?«
»Ich habe es gesehen, als es passierte, und hab ihn ausgeschimpft, ernsthaft, und dann Poppy untersagt, wieder mit ihm zu spielen. Das war’s. Es war ja nichts Schlimmes passiert.«
»Ich verstehe, es war nichts Schlimmes passiert . Als sie Sebastian ausschimpften, wie war seine Reaktion?«
»Er hat … sich entschuldigt. Er ist … sehr höflich.« Gillian räusperte sich. »Er hat sich bei Poppy entschuldigt, als ich ihn dazu aufforderte.«
An seiner Seite strahlte Sebastian Daniel an, als freute ihn dieses Lob.
»Mrs. Hodge, wir haben Sie sagen hören, dass Sebastian ein bisschen aggressiv sein konnte. Aber hatten Sie in den nahezu vier Jahren, die Sie im Nebenhaus wohnen, jemals einen Grund, sein Verhalten den Behörden zu melden?«
Gillian Hodge wurde rot. »Nicht den Behörden, nein.«
»Und wenn Sie als gute Mutter jemals das Gefühl gehabt hätten, dass Sebastian auf irgendeine Weise eine echte Gefahr für Ihr Kind oder Ihre Nachbarskinder sein könnte, hätten Sie es sofort getan?«
»Hm, ja …«
»Sie sind Mutter von zwei Kindern im selben Alter wie der Verstorbene und der Angeklagte, ist das richtig?«
»Ja.«
»Sagen Sie, hat eines Ihrer Kinder sich jemals aggressiv verhalten?«
Mrs. Hodge errötete wieder.
Jones stand auf, eine Hand wütend in die Höhe gereckt. »Euer Ehren, ich muss die Sachdienlichkeit dieser Fragestellung in Zweifel ziehen.«
»Ja, aber ich lasse sie zu«, sagte Baron. »Ich habe über ihre Zulässigkeit bereits entschieden.«
»Mrs. Hodge«, wiederholte Irene, »hat eines Ihrer Kinder sich jemals aggressiv verhalten?«
»Nun, ja. Alle Kinder können aggressiv sein.«
»Das können sie«, gab Irene zurück. »Keine weiteren Fragen.«
»Na schön, angesichts der Zeit denke ich, dies könnte ein günstiger Moment sein …« Baron drehte sich zu den Geschworenen herum. »Guten Appetit, aber ich erinnere Sie noch einmal daran, nicht über den Fall zu diskutieren, es sei denn Sie alle zusammen.«
Es erhob sich eine Stille, eine wasserlose Welle, ein Rauschen von Stoff und Luft in dem gedämmten Raum, als sich das Gericht mit dem Richter erhob und sich, als er weg war, wieder setzte. Der Justizangestellte bat darum, die Publikumsgalerie zu räumen, und Daniel schaute nach oben und sah, wie die Anwesenden sich zögernd von dem Schauspiel abwandten.
Daniel stellte sich hinter Sebastians Stuhl und knetete sanft seine Schultern. »Alles okay, Sebastian?«, fragte er und zog eine Augenbraue hoch.
Sebastian begann herumzuhüpfen und Daniel zuzunicken; dann berührte er seine Zehen und drehte sich um. Die scharfen Säume seines viel zu großen Anzugs hoben sich zu seinen Ohren und fielen wieder herab, während er hüpfte.
»Tanzt du,
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