Der Schuldige: Roman (German Edition)
heftiger schlug. Das Sonnenlicht strömte durch die Fensterscheiben.
Er sah sie draußen, den Hintern in der Luft, sodass ihr brauner Rock hochgerutscht war und die nicht zugeschnürten braunen Nagelschuhe sehen ließ. Sie brachte einen Teil des Hühnerauslaufs in Ordnung und riss dabei hier und da Unkräuter aus der Erde und warf sie auf den Komposthaufen.
Sie stand mit einem Metallkübel und einer Bürste in der Hand auf dem Hof, als Daniel den Riegel an der Hintertür hochschob und nach draußen trat. Er beobachtete sie von der Tür aus und war irgendwie noch immer erfreut, sie nach den Monaten der Trennung wiederzusehen. Der Hof erschien ihm plötzlich wunderschön mit seinem leichten Geruch nach Mist und dem von den Ziegen abgefressenen Gras. Die Zickel waren längst ausgewachsen, und eines von ihnen war sogar größer als die Ziege. Er fühlte einen Schmerz im Hals, als er sich eingestand, dass dies sein erstes richtiges Zuhause war – und sein letztes.
Sie sah ihn noch immer nicht, und Daniel überlegte, ob er warten sollte, bis sie sich umdrehte und ihn in der Tür entdeckte. Blitz setzte sich neben ihm auf die Schwelle.
»Minnie«, rief er.
Minnie , nicht Mum .
Sie drehte sich um, ließ Eimer und Bürste fallen und hob beide Hände an ihre Wangen, als ergebe sie sich, verzichte auf ihre Waffen.
»Oh, mein Liebling … was für eine Überraschung«, rief sie.
Mit einer Hand auf ihrer schlimmen Hüfte kam sie mit einem so breiten Lächeln auf ihn zu, dass ihre blauen Augen fast verschwanden. Die andere Hand hatte sie an ihr Gesicht gehoben, um es gegen die Sonne abzuschirmen. Er wusste, dass sie seinen Gesichtsausdruck nicht sehen konnte. Sich selbst stellte er sich als dunkle Silhouette in der Türöffnung vor.
Sie lachte, und Daniel atmete ein. Ihr Lachen war für ihn so wichtig gewesen, und er war gewöhnt, Gefallen daran zu finden. Sie wischte ihre schmutzigen Hände an ihrem Rock ab.
»Wie kommen wir zu dieser Ehre?«
Sie näherte sich ihm, nahm die Hand von ihren Augen und trat in den kühlen Schatten, in dem er stand. Ihre Hände hatte sie ausgestreckt, um seine zu ergreifen, aber dann trafen sich ihre Blicke.
»Bist du okay, Schatz? Ist alles in Ordnung?« Sie zog beunruhigt die Stirn kraus, ihre besorgten Lippen zeichneten Grübchen in ihre Wangen, und eine Hand hatte sie zum Trost auf seinen Arm gelegt.
»Nein, nicht wirklich«, flüsterte er, zog seinen Arm weg und ging an ihr vorbei in die Mitte des Hofes. Eine der Ziegen knabberte am Saum seines T-Shirts, und er zog es rasch weg, während er einmal, zweimal auf den Boden stampfte, bis das Tier erschrocken zusammenfuhr.
Sie kam auf ihn zu. Blitz war dicht hinter ihr, hüpfte hin und her, stellte sich vor sie hin und blickte hinauf in ihr Gesicht, um zu sehen, was los war. Er jaulte ein bisschen, kratzte am Boden. Minnie streckte ihre Finger aus, um den Kopf des Hundes zu berühren, nahm aber ihren Blick nicht von Daniel.
»Was ist los, Liebling«, fragte sie wieder. »Was ist passiert?«
Daniels Herz schlug inzwischen heftig, und seine Handflächen waren feucht. Er versuchte, zu Atem zu kommen, um es ihr ruhig sagen zu können, aber sein Mund war zu trocken. Er hatte sich vorgenommen, ihr von seinen Gedanken zu erzählen, die er angestellt hatte, von seinem Drang herauszufinden, was mit seiner leiblichen Mutter passiert war, jetzt, da er über achtzehn war. Er hatte vorgehabt, ihr von dem Standesamt zu erzählen, der Sterbeurkunde und dem Friedhof mit dem weißen Marmorkreuz und von der Farbe, die von den Buchstaben ihres Namens bereits abblätterte. Er hatte geplant, ihr zu erzählen, dass seine Mutter clean gewesen war, als Minnie ihm erzählt hatte, sie sei gestorben. Sie war für ihn clean geworden und hatte erst eine Überdosis genommen, als sie dachte, dass er nie nachsehen kommen würde, dass er sie vergessen hatte.
Es war zu viel für ihn, und so schrie er sie an: »Meine. Mutter. Ist. Letztes. Jahr. Gestorben!«
Er war überrascht, dass ihm plötzlich Tränen in die Augen traten. Er spürte, wie die Ader an seiner Schläfe anschwoll, und fühlte den Schmerz hinten in seinem Hals. Es waren die Tränen, die ihn am meisten ärgerten. Er wollte sie nicht. Er hatte nicht mit ihnen gerechnet.
»Letztes Jahr!«, schrie er und griff zu dem Metalleimer. Er zielte damit auf Minnie und stieß ihn in einem vorgetäuschten Wurf in ihre Richtung, um ihr Angst zu machen, aber sie zuckte mit keiner Wimper. Dann schleuderte er ihn zwei
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