Der Schuldige: Roman (German Edition)
…«
»Wie gesagt«, entgegnete Charlotte ruhig, »ich habe ein bisschen geschlafen.«
Daniel biss die Zähne zusammen. Er fragte sich, was Charlotte verheimlichte. Er war sich über den Jungen sicherer als über dessen Mutter.
»Und am Sonntag, als Sebastian nach Hause kam, wo waren Sie da?«
»Ja, als er vom Spielen mit Ben heimkam, war ich zu Hause. Ich bin immer zu Hause …«
»Und Sie haben nichts Seltsames bemerkt, als Sebastian nach Hause kam?«
»Nein, nicht im Geringsten. Er kam einfach rein und … sah sich was im Fernsehen an, glaube ich.«
»Und um welche Uhrzeit ist er nach Hause gekommen?«
»Etwa um drei.«
»Na schön«, sagte Daniel. »Wie fühlst du dich, Seb? Hältst du die Befragung durch die Polizei noch ein bisschen länger aus?«
Charlotte drehte sich zu Sebastian um und legte ihren Arm um ihn. »Nun, es ist spät. Wir helfen ja sehr gern, aber vielleicht sollten wir es auf morgen verschieben.«
»Ich werde fragen«, sagte Daniel. »Ich kann ihnen sagen, dass er Ruhe braucht, aber vielleicht akzeptieren sie es nicht. Und falls sie einverstanden sind, lassen sie ihn möglicherweise nicht ohne Kaution frei.«
»Kaution? Was in aller Welt soll das?«, fragte Charlotte.
»Ich werde darum ersuchen, aber im Fall eines Mordes ist es unüblich.«
»Sebastian hat mit dieser Sache nichts zu tun«, sagte Charlotte, und die Sehnen an ihrem Hals spannten sich, als sie ihre Stimme erhob.
»Ist in Ordnung. Warten Sie hier.«
Es war fast neun Uhr abends, aber die Polizei war fest entschlossen, die Befragung fortzusetzen. Charlotte lief zum Richmond Crescent, um für ihren Sohn was zum Anziehen zu holen, und so konnte Sebastian aus seinem weißen Papieranzug in eine blaue Jogginghose und ein graues Sweatshirt wechseln. Dann wurde er wieder in das Vernehmungszimmer geführt.
Sebastian saß neben Daniel, seine Mutter auf der anderen Seite – am Ende des Tischs. Sergeant Turner saß Daniel gegenüber. Er wurde von einem zweiten Polizeibeamten begleitet, dem mürrischen Inspektor Black, der Sebastian gegenübersaß.
»Sebastian, du musst nichts sagen, aber es kann deiner Verteidigung schaden, wenn du jetzt etwas unerwähnt lässt, worauf du dich später vor Gericht stützen willst. Alles, was du sagst, kann als Beweis bewertet werden …«
Sebastian schniefte, blickte zu Daniel hoch und zog die Ärmelbündchen seines Sweatshirts über seine Hände, während er den offiziellen Worten lauschte.
»Fühlst du dich jetzt wohl in deinen hübschen sauberen Sachen?«, fragte der Polizeibeamte. »Du weißt, warum wir dir deine Sachen weggenommen haben, nicht wahr, Seb?«
»Ja, Sie wollen nach gerichtsmedizinischen Beweisen suchen.«
Sebastian äußerte sich gemessen, klar und gelassen.
»Das stimmt. Was meinst du, was für Beweise wir finden werden?«
»Keine Ahnung.«
»Als wir dich heute Nachmittag abholten, hattest du ein paar Flecken auf deinen Turnschuhen, die wie Blut aussahen, Seb. Kannst du erklären, was das für Flecken waren?«
»Ich bin nicht sicher. Ich könnte mich beim Spielen geschrammt haben. Ich weiß nicht mehr. Oder es könnte Dreck gewesen sein …«
Sergeant Turner räusperte sich. »Meinst du nicht, dass du dich daran erinnern könntest, wenn du dich so böse geschrammt hättest, dass auf deinen Schuhen Blutflecken zurückblieben?«
»Es käme darauf an.«
»Du meinst also, es ist Blut auf deinen Schuhen, aber du glaubst, das Blut ist dein eigenes?«, fuhr der Inspektor mit von Zigaretten verwüsteter Stimme fort.
»Nein, ich hab keine Ahnung, was das für Flecken sind. Wenn ich draußen spiele, mache ich mich ziemlich oft ein bisschen schmutzig. Ich wollte nur sagen, wenn es Blut ist, dann habe ich mich wahrscheinlich beim Spielen verletzt.«
»Wie sollte das passiert sein?«
»Indem ich vielleicht auf einen Stein gefallen oder von einem Baum gesprungen bin. Ein Ast könnte mich zerkratzt haben.«
»Bist du gestern oder heute öfter von Bäumen gesprungen?«
»Nein, ich habe meistens ferngesehen.«
»Du bist heute nicht zur Schule gegangen?«
»Nein, ich habe mich heute Morgen nicht sehr gut gefühlt. Mir hat der Bauch wehgetan, deshalb bin ich zu Hause geblieben.«
»Wusste dein Lehrer, dass du heute wegen Krankheit gefehlt hast?«
»Na ja, normalerweise läuft es so, dass man eine Entschuldigung mitbringt, wenn man das nächste Mal hingeht …«
»Wenn du heute die ganze Zeit zu Hause warst, Sebastian, wie konnte dann das Blut auf deine Turnschuhe
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