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Der Schutzengel

Der Schutzengel

Titel: Der Schutzengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Wiederbeibringung hatte bei den überlasteten Polizeidienststellen, die kaum wußten, wie sie die Ermittlungen in wirklichen Verbrechensfällen bewältigen sollten, keinen allzu hohen Stellenwert. Das gehörte zu den nützlicheren Tatsachen, die Laura bei den Recherchen für einen Roman erfahren hatte, in dem ein Autodieb eine Nebenrolle spielte.
    Sie nahm sich auch noch die Zeit, ihrem Beschützer Socken, Schuhe und einen Pullover anzuziehen, damit er sich nicht erkälte. Dabei schlug er einmal die Augen auf, blinzelte und flüsterte heiser ihren Namen. Sie glaubte schon, er erwache aus seiner Bewußtlosigkeit, aber er versank wieder darin und murmelte etwas in einer Sprache, die sie nicht erkennen konnte, weil sie keines seiner Worte deutlich genug verstand.
    Von Riverside aus fuhr Laura nach Yorba Linda im Orange County, wo sie um 4.50 Uhr in einer Ecke des Parkplatzes von Ralph’s Supermarket hinter einem der Altglascontainer parkte. Sie stellte den Motor ab, schaltete die Scheinwerfer aus und löste ihren Sicherheitsgurt. Chris blieb angeschnallt; er lehnte fest schlafend an der Beifahrertür. Ihr Beschützer war noch immer bewußtlos, aber er atmete nicht mehr ganz so keuchend wie vor ihrem Besuch in Dr. Brenkshaws Praxis. Laura bezweifelte, daß sie hier Schlaf finden würde; sie wollte sich nur sammeln und ihre Augen ausruhen – aber dann war sie binnen weniger Minuten doch eingeschlafen.
    Nachdem sie drei Männer erschossen hatte, selbst mehrmals beschossen worden war, zwei Autos gestohlen und eine durch drei Counties führende Verfolgungsjagd überlebt hatte, wäre zu erwarten gewesen, daß sie vom Tod, von Blut und zerfetzten Menschenleibern träumen würde, einen Alptraum, dessen Hintergrundmusik das kalte Hämmern von Maschinenwaffen war. Sie hätte träumen können, Chris zu verlieren, der mit Thelma zu den beiden einzigen ihr verbliebenen Lichtblicken im Leben gehörte. Statt dessen träumte sie jedoch von Danny, und es war ein schöner Traum, kein Alptraum. Danny war wieder lebendig und erlebte mit ihr, wie die Rechte von »Shadrach« für über eine Million Dollar verkauft wurden. Aber Chris war auch da und acht Jahre alt, obwohl Chris damals noch gar nicht auf der Welt gewesen war, und sie feierten Lauras Erfolg in Disneyland, wo sie sich zu dritt mit Mickey Mouse fotografieren ließen. Und im Carnation Pavillon versprach Danny ihr, sie bis in alle Ewigkeit zu lieben, während Chris vorgab, sich in einer aus Grunzern bestehenden Schweinchensprache verständigen zu können, die er von Carl Dockweiler gelernt habe, der mit Nina und Lauras Vater am nächsten Tisch saß. Und an einem weiteren Tisch saßen die Ackerson-Zwillinge und aßen Erdbeereisbecher …
    Laura wachte nach über drei Stunden um 8.26 Uhr auf und fühlte sich nach diesem durch ihr Unterbewußtsein bewirkten Aufenthalt in vertrauter Gemeinschaft ebenso erfrischt wie durch den Schlaf selbst. Der Morgenhimmel war wolkenlos, das Sonnenlicht glitzerte auf dem Chrom des Wagens und fiel als breiter gelblicher Streifen durchs Heckfenster. Chris döste noch immer. Der Verletzte auf dem Rücksitz war weiterhin bewußtlos.
    Sie riskierte es, rasch zu einer Telefonzelle neben dem Supermarkt hinüberzugehen, von der aus sie den Wagen im Auge behalten konnte. Mit Kleingeld aus ihrer Handtasche rief sie Chris’ Privatlehrerin Ida Palomar in Lake Arrowhead an, um ihr mitzuteilen, daß sie für den Rest der Woche verreist sein würden. Sie wollte nicht, daß die arme Ida ahnungslos in das von Kugeln durchsiebte Haus mit den unerklärlichen Blutspuren kam, mit denen sich bestimmt schon Spurensicherungsteams der Polizei befaßten. Sie erzählte Ida nicht, von wo aus sie anrief; sie wollte ohnehin nicht mehr lange in Yorba Linda bleiben.
    Wieder im Auto saß Laura gähnend hinterm Steuer, reckte sich und massierte sich den Nacken, während sie die ersten Kunden beobachtete, die den etwa 100 Meter entfernten Supermarkteingang passierten. Als Chris keine zehn Minuten später mit verquollenen Augen und schlechtem Mundgeruch aufwachte, gab sie ihm Geld, damit er im Supermarkt süßes Gebäck und zwei Tüten Orangensaft einkaufen konnte – nicht gerade etwas zur vernünftigen Ernährung, aber stärkende Kost.
    »Was ist mit ihm?« fragte Chris und zeigte dabei auf Lauras Beschützer.
    Sie erinnerte sich an Dr. Brenkshaws Warnung vor dem Verdursten. Aber sie wußte auch, daß sie nicht versuchen durfte, ihm etwas einzuflößen, solange er komatös war –

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