Der Schutzengel
diesem System hatte. Stefans Aufgabe würde es sein, ihr zu erklären, was das Ding auszurechnen hatte, um sie der Lösung der vielen vor ihnen liegenden Probleme näherzubringen.
Stefan hatte die Absicht, mit Hilfe des Kokoschka abgenommenen Gürtels ins Jahr 1944 zurückzukehren. Diese Gürtel waren keine Zeitmaschinen im Kleinformat; Transportmittel war das Tor selbst – und das Tor blieb stets im Jahre 1944. Die Gürtel waren auf die Zeitvibrationen des Tores abgestimmt und brachten den Reisenden lediglich zurück, sobald er die Verbindung per Knopfdruck herstellte.
»Wie bringt er dich zurück?« fragte Laura, als Stefan ihr den Gebrauch des Gürtels erklärte.
»Das weiß ich nicht. Weißt du vielleicht, wie der Mikrochip in deinem Computer funktioniert? Nein. Aber das hindert dich ebensowenig an der Benützung deines Computers, wie es mich am Gebrauch des Gürtels hindert.«
Nachdem Stefan ins Jahr 1944 zurückgekehrt und das Hauptlabor des Instituts unter seine Kontrolle gebracht haben würde, mußte er zwei entscheidende Zeitreisen unternehmen – beide in den März 1944, beide nur wenige Tage weit in die Zukunft –, um die Zerstörung des Instituts sicherzustellen. Diese beiden Reisen mußten sorgfältig geplant werden, damit er genau zur gewünschten Zeit an genau dem gewünschten Ort ankam. Daß so präzise Berechnungen im Jahre 1944 unmöglich waren, lag nicht nur an der fehlenden Computerunterstützung, sondern auch den ungenauen Werten für Rotationswinkel und Rotationsgeschwindigkeit der Erde sowie der Planetenfaktoren, die Einfluß auf solche Reisen hatten, so daß Zeitreisende des Instituts ihre Ziele oft um Kilometer und Minuten verfehlten. Mit den von dem PC errechneten Werten würde Stefan das Tor so programmieren können, daß es ihn auf den Meter und die Sekunde genau ablieferte.
Sie wälzten alle Bücher, die Thelma gekauft hatte. Dabei handelte es sich nicht nur um Mathematik- und Physikbücher, sondern auch um Darstellungen des Zweiten Weltkriegs, aus denen hervorging, wo die Hauptprotagonisten sich an bestimmten Tagen aufgehalten hatten.
Die komplizierten Berechnungen erforderten Zeit, und diese Zeit mußte Stefan auch Gelegenheit geben, sich von seiner Schußwunde zu erholen. Bei seiner Rückkehr ins Jahr 1944 würde er sich in die Höhle des Löwen wagen und trotz Nervengas und einer erstklassigen Pistole rasch und gewandt handeln müssen, um nicht erschossen zu werden. »In zwei Wochen«, meinte er. »Arm und Schulter dürften in zwei Wochen wieder so weit beweglich sein, daß ich’s riskieren kann.«
Ob er sich zwei oder zehn Wochen Zeit ließ, spielte keine Rolle, denn wenn er Kokoschkas Gürtel nahm, würde er auf jeden Fall nur elf Minuten nach Kokoschkas Abreise ins Institut zurückkehren. Das Datum seiner Abreise aus der Gegenwart hätte keinen Einfluß auf seine Rückkehr im Jahre 1944.
Ihre einzige Sorge war, die Gestapo könnte sie aufspüren und ein Mordkommando ins Jahr 1989 entsenden, um sie zu liquidieren, bevor Stefan in seine Zeit zurückkehren und seinen Plan in die Tat umsetzen konnte. Und diese einzige Sorge wog schwer genug.
Am Sonntagnachmittag legten sie eine Pause ein und fuhren sehr vorsichtig und stets auf plötzlich herabzuckende Blitze und Donnerschläge gefaßt zum Einkaufen.
Laura, der noch immer die Aufmerksamkeit der Medien galt, blieb im Auto, während Chris und Stefan durch den Supermarkt zogen. Zum Glück blieben die Blitze aus, und sie kehrten mit einem Kofferraum voller Lebensmittel in die Villa zurück.
Nach dem Abendessen wechselte Laura Stefans Verband. Die eindringende Kugel hatte auf seiner Brust einen riesigen Bluterguß mit der Eintrittswunde ungefähr in dessen Mitte hinterlassen, die Austrittswunde auf dem Rücken war von einem kleineren Bluterguß umgeben. Die Nahtfäden und die unterste Lage des alten Verbandes waren von getrockneter Wundflüssigkeit überkrustet. Auch nachdem Laura die Wunden so gut wie möglich gesäubert hatte, ohne diesen Schorf aufzuweichen, zeigten sich nirgends Eiterspuren, die auf eine schwere Infektion hätten schließen lassen. Natürlich konnte sich im Schußkanal ein Abszeß gebildet haben, aber das war wenig wahrscheinlich, weil Stefan kein Fieber hatte.
»Nimm weiter dein Penicillin«, sagte Laura, »dann kommt alles in Ordnung, glaube ich. Doc Brenkshaw hat gute Arbeit geleistet.«
Während Laura und Stefan am Montag und Dienstag endlos lange Stunden am Computer verbrachten, sah Chris fern,
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