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Der Schutzengel

Der Schutzengel

Titel: Der Schutzengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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wäre ich nicht damit zufrieden, sie ohne Überarbeitung erscheinen zu lassen. Ich würde bestimmt Dinge finden, die verbessert werden müßten, und die Jahre unmittelbar nach dem Krieg damit verbringen, endlos daran herumzupfuschen – nur um nach Fertigstellung und Erscheinen feststellen zu müssen, daß ich genau das rausgenommen oder geändert habe, was das Werk in der Zukunft zum Klassiker gemacht hat.«
    Stefan lachte.
    »Das ist mein Ernst«, versicherte Churchill ihm. »Sie haben mir erzählt, daß meine Geschichte das Standardwerk sein wird. Dieses Wissen genügt mir. Ich werde sie sozusagen schreiben, wie ich sie geschrieben habe, und nicht versuchen, mich selbst zu kommentieren.«
    »Das ist vielleicht besser«, bestätigte Stefan.
    Während Stefan die sechs Bücher in seinem Rucksack verstaute, stand Churchill mit auf den Rücken gelegten Händen neben ihm und wippte leicht auf den Zehenspitzen. »Es gibt so vieles, was ich Sie über die Zukunft fragen möchte, die ich jetzt mitgestalten helfe. Dinge, die mich mehr interessieren als die Frage, ob ich erfolgreiche Bücher schreiben werde.«
    »Ich muß wirklich fort, Sir, aber …«
    »Ja, ich weiß«, sagte der Premierminister. »Ich will Sie nicht länger aufhalten. Aber eine Frage könnten Sie mir wenigstens noch beantworten … Hmm, lassen Sie mich nachdenken. Gut, wie geht’s nach dem Krieg beispielsweise mit den Russen weiter?«
    Stefan zögerte und zog erst den Reißverschluß seines Rucksacks zu, um Zeit zu gewinnen. »Tut mir leid, Sir, aber ich muß Ihnen mitteilen, daß die Sowjetunion weit mächtiger als Großbritannien und fast so mächtig wie die Vereinigten Staaten sein wird.«
    Churchill wirkte erstmals überrascht. »Ihr verabscheuungswürdiges System wird tatsächlich zu wirtschaftlichem Erfolg, zu Wohlstand führen?«
    »Nein, nein. Ihr System führt zu wirtschaftlichem Ruin – aber auch zu gewaltiger Militärmacht. Die Sowjets werden ihren gesamten Herrschaftsbereich rücksichtslos militarisieren und alle Andersdenkenden ausschalten. Nach Aussagen Sachkundiger machen ihre Konzentrationslager denen des Dritten Reiches Konkurrenz.«
    Obwohl die Miene des Premierministers undurchdringlich blieb, konnte er die Besorgnis in seinem Blick nicht verbergen. »Aber sie sind doch jetzt unsere Verbündeten …«
    »Ganz recht, Sir. Und ohne sie würde der Krieg gegen das Dritte Reich vielleicht nicht gewonnen werden.«
    »Oh, er würde gewonnen werden«, meinte Churchill zuversichtlich, »nur eben langsamer.« Er seufzte. »Die Politik bringt seltsame Bettgenossen zusammen, noch seltsamere Gespanne aber entstehen durch die Sachzwänge eines Krieges.«
    Stefan war abreisebereit.
    Sie schüttelten sich die Hand.
    »Ihr Institut wird restlos in Trümmer gelegt«, sagte der Premierminister noch. »Darauf gebe ich Ihnen mein Wort.«
    »Das genügt mir völlig«, versicherte Stefan ihm.
    Er griff unter sein Hemd und drückte dreimal auf den gelben Knopf, der den Rückholgürtel aktivierte.
    Scheinbar im selben Augenblick fand er sich in Berlin im Institut wieder. Er verließ das zylinderförmige Tor und trat wieder ans Programmierpult. Die Uhr zeigte, daß genau elf Minuten vergangen waren, seitdem er von hier zu dem bombensicheren Bunker unter dem Londoner Pflaster abgereist war.
    Seine Schulter tat noch immer weh, aber die Schmerzen waren nicht schlimmer geworden. Das unablässige Pochen ermüdete ihn jedoch so, daß er in den Programmierersessel sank, um sich kurz auszuruhen.
    Danach programmierte Stefan das Tor mit den im Jahre 1989 von dem IBM-PC errechneten Zahlen für seine vorletzte Zeitreise. Diesmal würde er fünf Tage weit in die Zukunft reisen und am 21. März um 23 Uhr in einem anderen bombensicheren unterirdischen Bunker eintreffen – nicht in London, sondern hier in Berlin.
    Sobald das Tor betriebsbereit war, betrat er den Stahlzylinder, ohne eine Waffe mitzunehmen. Auch Churchills sechsbändige Geschichte des Zweiten Weltkriegs blieb diesmal zurück.
    Als er im Inneren des Stahlzylinders den Übergangspunkt passierte, drang das vertraute unangenehme Kribbeln von außen durch seine Haut ein, durchlief sein Fleisch und erreichte sein Knochenmark, um von dort aus augenblicklich wieder den umgekehrten Weg zu nehmen.
    Der fensterlose unterirdische Raum, in dem Stefan ankam, wurde nur durch eine Lampe auf dem Schreibtisch in der Ecke und kurzzeitig durch die von ihm mitgebrachten elektrischen Entladungen erhellt. In diesem unheimlichen

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