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Der Schutzengel

Der Schutzengel

Titel: Der Schutzengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Lichtschein war Hitler deutlich zu erkennen.
    Noch eine Minute.
    Laura kauerte an den Buick gepreßt neben Chris. Ohne ihre Haltung zu verändern, blickte sie zuerst nach Süden, wo ein Mann in Deckung lag, wie sie genau wußte, dann nach Norden, wo vermutlich weitere Feinde lauerten.
    Über die Wüste hatte sich eine übernatürliche Stille gelegt. Der windlose Tag besaß nicht mehr Atem als eine Leiche. Die Sonne hatte das ausgedörrte Land mit soviel Licht übergossen, daß es fast so hell war wie der Himmel: An den Rändern der Ebene unterschied der helle Himmel sich so wenig von der hellen Wüste, daß der Horizont praktisch verschwand. Obwohl die Temperatur lediglich etwas über 25° C betrug, schienen alle Gegenstände – jeder Fels und jede Pflanze und jeder Sandhügel
    – von der Hitze aneinandergeschweißt zu sein. Noch eine Minute. Bestimmt dauerte es nur noch eine Minute oder weniger, bis
    Stefan aus dem Jahre 1944 zurückkehrte, und er würde ihnen irgendwie sehr helfen nicht nur wegen seiner Uzi, sondern weil er ihr Beschützer war. Ihr Beschützer. Obwohl Laura jetzt wußte, woher er kam, und ihm keine übernatürlichen Fähigkeiten mehr zuschrieb, blieb er in ihren Augen in gewisser Beziehung eine überlebensgroße Gestalt, die imstande war, Wunder zu wirken.
    Keine Bewegung im Süden. Keine Bewegung im Norden. »Sie kommen«, flüsterte Chris.
    »Uns passiert nichts, Schatz«, sagte sie leise. Zugleich klopfte ihr Herz nicht nur vor Angst, sondern schmerzte im Gefühl eines Verlustes, als ahne sie auf irgendeiner Ebene ihres Unterbewußtseins, daß ihr Sohn das einzige Kind, das sie je haben würde, das Kind, das eigentlich nie hatte existieren sollen – bereits tot war: nicht wegen ihres Versagens als seine Beschützerin, sondern weil das Schicksal sich nicht überlisten ließ. Nein. Verdammt noch mal, nein! Diesmal würde sie das Schicksal besiegen. Sie würde ihren Jungen festhalten. Sie würde ihn nicht verlieren, wie sie im Laufe der Jahre so viele geliebte Menschen verloren hatte. Er gehörte ihr – nicht dem Schicksal. Chris gehörte ihr . »Uns passiert nichts, Schatz.«
    Nur noch eine halbe Minute.
    Plötzlich sah sie im Süden eine Bewegung.
    In Hitlers Arbeitszimmer im Berliner Führerbunker schlängelte die durch Stefans Zeitreise verdrängte Energie sich von seinem Körper ausgehend in hellen, zischenden Flammenzungen davon: in Hunderten von bläulichen Feuerschlangen, die wie in dem unterirdischen Londoner Konferenzraum über den Fußboden und die Wände hinauf züngelten. Dieses grelle, lautstarke Phänomen lockte jedoch keine Wachen aus anderen Bunker-räumen herbei, denn im Augenblick hatte Berlin einen weiteren anglo-amerikanischen Bombenangriff durchzustehen. Der Führerbunker erzitterte unter den Detonationen schwerer Bomben in der Stadt, und selbst in dieser Tiefe überdeckte das Donnern des Bombenangriffs die Geräusche, von denen Stefans Ankunft begleitet war. Hitler drehte sich mit seinem Drehsessel nach Stefan um. Er ließ ebensowenig Überraschung erkennen wie Churchill; andererseits war er im Gegensatz zu dem britischen Premierminister natürlich über die Arbeit des Instituts informiert und begriff sofort, wie Stefan sich in seinem Arbeitszimmer materialisiert hatte. Außerdem kannte er Stefan als den Sohn eines seiner frühesten und treuesten Anhänger und als einen SS-Führer, der viele Jahre für die gemeinsame Sache gearbeitet hatte.
    Obwohl Stefan nicht damit gerechnet hatte, Hitler werde überrascht sein, hatte er gehofft, diese Züge einmal angstverzerrt zu erleben. Falls der Führer die Gestapomeldungen über die neuesten Ereignisse im Institut gelesen hatte – was er bestimmt getan hatte –, wußte er, daß Stefan vorgeworfen wurde, Penlowski, Janusky und Wolkow vor sechs Tagen, am 15. März 1944, erschossen zu haben, bevor er selbst in die Zukunft geflüchtet war. Hitler glaubte vermutlich, Stefan habe auch diese Zeitreise unbefugt unternommen, bevor er die Wissenschaftler ermordet habe, und habe die Absicht, ihn nun ebenfalls zu erschießen. Trotzdem ließ er sich keine Angst anmerken: Er blieb sitzen, öffnete gelassen eine Schreibtischschublade und zog eine Luger hervor.
    Noch während die letzten elektrischen Entladungen sich davonschlängelten, schlug Stefan die Hacken zusammen, hob den rechten Arm zum Deutschen Gruß und schmetterte markig: »Heil, mein Führer!« Um zu demonstrieren, daß er in friedlicher Absicht gekommen sei, ließ er sich auf ein

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