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Der Schutzengel

Der Schutzengel

Titel: Der Schutzengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Keith vorbei war, »aber sie macht ihre Sache einfach nicht gut. Hätte sie sich Zeit genommen, dich als Persönlichkeit kennenzulernen, Laura, hätte sie niemals Angst zu haben brauchen, du könntest Selbstmord verüben. Du bist ein Überlebenstyp.«
    Thelma säbelte ein Stück vom zähen Fleisch ab. »Tammy Hinsen ist einmal mit einem Päckchen Rasierklingen im Bad erwischt worden, noch bevor sie den Mut aufgebracht hat, sich die Pulsadern aufzuschneiden.«
    Laura staunte plötzlich über die Mischung aus Humor und Tragödie, Absurdem und schwarzer Realität, die ihr eigentümliches Leben im McIllroy prägte. Eben noch hatten sie miteinander gescherzt, und jetzt sprachen sie über die selbstmörderische Veranlagung eines Mädchens, das sie alle kannten. Sie erkannte, daß diese Einsicht über das hinausging, was man von einer Zwölfjährigen erwarten konnte, und beschloß, den Gedanken nach ihrer Rückkehr in ihr Zimmer in das Notizbuch einzutragen, das sie vor kurzem zu führen begonnen hatte.
    Ruth war nun doch mit ihrer Portion fertig. »Vier Wochen nach dem Vorfall mit den Rasierklingen haben sie unsere Zimmer unangekündigt nach gefährlichen Gegenständen durchsucht«, berichtete sie. »Bei Tammy sind Zündhölzer und ein kleiner Kanister Feuerzeugbenzin gefunden worden. Sie wollte sich in einer der Duschkabinen mit Benzin übergießen und selbst verbrennen.«
    »Großer Gott!« Laura dachte an das schmächtige Kind mit dem blassen Teint und den dunklen Ringen unter den Augen und hatte das Gefühl, Tammys geplante Selbstverbrennung habe nur dazu dienen sollen, die kleine lodernde Flamme, die sie seit langem von innen verzehrte, zum Feuer anzufachen.
    »Sie haben sie für zwei Monate zu einer Intensivtherapie weggeschickt«, fügte Ruth hinzu.
    »Als sie zurückkam«, sagte Thelma, »redeten alle Erwachsenen davon, wie sehr ihr Zustand sich gebessert habe, aber Ruth und mir kam sie unverändert vor.«
    Zehn Minuten nach Miss Keists abendlicher Bettenkontrolle schlich Laura sich aus ihrem Zimmer. Der leere Korridor im zweiten Stock wurde lediglich durch drei Sicherheitsleuchten erhellt. Laura hastete im Schlafanzug und mit Decke und Kopfkissen unter dem Arm barfuß ins Zimmer der Ackersons.
    Dort brannte nur die Lampe auf Ruths Nachttisch. »Laura, du schläfst in meinem Bett«, flüsterte Ruth. »Ich habe mir einen Schlafplatz auf dem Boden hergerichtet.«
    »Kommt nicht in Frage!« wehrte Laura ab. » Ich schlafe auf dem Boden.«
    Sie faltete ihre Decke zusammen, um eine Unterlage zu haben, und streckte sich quer zum Fußende von Ruths Bett mit ihrem Kissen unter dem Kopf darauf aus.
    »Ihr werdet schon sehen, was für Schwierigkeiten wir deswegen kriegen«, sagte Rebecca Bogner von ihrem Bett aus.
    »Wovor hast du eigentlich Angst?« fragte Thelma. »Daß sie uns auf dem Hof an Pfähle binden, mit Honig beschmieren und den Ameisen überlassen?«
    Tammy stellte sich schlafend.
    Ruth knipste ihre Nachttischlampe aus, und sie versuchten einzuschlafen.
    Eine Minute später flog die Tür auf, die Deckenlampe wurde eingeschaltet. Miss Keist, die einen roten Morgenrock trug, kam mit finsterer Miene hereingestürmt. »Aha! Laura, was hast du hier zu suchen?«
    Rebecca Bogner ächzte. »Ich hab’ euch doch gesagt , daß es Stunk gibt!«
    »Komm sofort mit zurück auf dein Zimmer, junge Dame!«
    Die Promptheit, mit der Miss Keist erschienen war, war zu verdächtig, und Laura schaute zu Tammy Hinsen hinüber. Die Blondine stellte sich nicht mehr schlafend, sondern stützte sich schwach lächelnd auf einen Ellbogen. Sie hatte offenbar beschlossen, dem Aal bei seiner Jagd auf Laura behilflich zu sein  – vielleicht in der Hoffnung, ihre Position als Favoritin zurückzugewinnen.
    Miss Keist eskortierte Laura in ihr Zimmer. Laura schlüpfte ins Bett, und die Erzieherin starrte sie einen Augenblick an. »Es ist warm. Ich mache das Fenster auf.« Sie trat wieder ans Bett und studierte Laura nachdenklich. »Möchtest du mir irgendwas erzählen? Ist irgendwas nicht in Ordnung?«
    Laura überlegte, ob sie ihr von Sheener erzählen sollte. Aber was, wenn Miss Keist den Aal dabei ertappen wollte, daß er sich in ihr Zimmer schlich, und er in dieser Nacht nicht aufkreuzte? Dann würde Laura ihn später nie wieder beschuldigen können, weil sie ihn schon einmal fälschlich beschuldigt hatte. Niemand würde ihr mehr glauben; selbst wenn Sheener sie vergewaltigte, würde er ungestraft davonkommen.
    »Nein, alles ist in Ordnung«,

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