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Der Schutzengel

Der Schutzengel

Titel: Der Schutzengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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der Mann hatte in seiner Angst Wasser gelassen.
    Irgendwann, dachte Kokoschka grimmig entschlossen und mit einem Anflug von Sadismus, richte ich Stefan noch schlimmer zu. Ihn und dieses verdammte Mädchen. Sobald ich weiß, welche Rolle sie in seinen Plänen spielt und weshalb er Jahrzehnte überspringt, um in ihr Leben einzugreifen. Beide werden Höllenqualen erleiden, dafür sorge ich!
    Er verließ Sheeners Haus. Im Garten blickte er sekundenlang zum sternklaren Nachthimmel auf, bevor er ins Institut zurückkehrte.
    Kurz vor Tagesanbruch – bevor die ersten Heimbewohner aufstanden, aber nicht eher, als sie das Gefühl hatte, für diesmal vor Sheener sicher zu sein – verließ Laura ihre Lagerstatt im Spielzimmer und kehrte in den zweiten Stock zurück. In ihrem Zimmer war alles so, wie sie es verlassen hatte. Nichts wies auf einen nächtlichen Eindringling hin.
    Erschöpft und mit geröteten Augen fragte sie sich, ob sie dem Aal etwas zuviel Kühnheit und Wagemut zugetraut hatte. Sie kam sich sogar ein bißchen dumm vor.
    Als sie ihr Bett machte – eine Arbeit, für die jedes Heimkind selbst verantwortlich war –, erstarrte sie förmlich, als sie sah, was unter dem Kopfkissen lag. Eine einzelne Tootsie Roll.
    An diesem Tag kam der Weiße Aal nicht zur Arbeit. Er war offenbar die ganze Nacht wach gewesen, um Lauras Entführung vorzubereiten, und brauchte zweifellos Schlaf.
    »Wie findet ein Kerl wie er überhaupt Schlaf?« fragte Ruth, als sie sich nach der Schule im McIllroy in einer Ecke des Spielplatzes trafen. »Ich meine, hält sein schlechtes Gewissen ihn denn nicht wach?«
    »Ruthie«, sagte Thelma, »er hat kein Gewissen.«
    »Jeder hat eines, sogar der Schlechteste unter uns. So hat Gott uns geschaffen.«
    »Shane«, verlangte Thelma, »halt dich bereit, mir bei einer Teufelsaustreibung zu helfen. Unsere Ruth ist schon wieder vom Geist einer mittelalterlichen Schwachsinnigen besessen.«
    In einer atypisch humanitären Geste verlegte Mrs. Bowmaine Tammy und Rebecca in ein anderes Zimmer und ließ Laura wieder bei Ruth und Thelma einziehen. Das vierte Bett in ihrem Zimmer blieb vorerst leer.
    »Das ist für Paul McCartney«, sagte Thelma, als die Zwillinge Laura halfen, sich bei ihnen einzurichten. »Wenn die Beatles mal in Kalifornien sind, kann er’s benützen. Und ich benüt ze dann Paul!«
    »Du kannst einen richtig verlegen machen«, stellte Ruth fest.
    »Ich drücke nur gesundes sexuelles Begehren aus.«
    »Thelma, du bist erst zwölf!« sagte Ruth aufgebracht.
    »Aber demnächst dreizehn. Bald hab’ ich meine ersten Tage. Eines Morgens wachen wir auf und sehen so viel Blut, als hätt’s hier ein Massaker gegeben.«
    »Thelma!«
    Auch am Donnerstag kam Sheener nicht zur Arbeit. Da Freitag und Samstag seine freien Tage waren, tauschten Laura und die Zwillinge am Samstagabend aufgeregt Vermutungen aus, der Aal werde nie mehr kommen, weil er unter einen Lastwagen geraten sei oder sich Beriberi zugezogen habe.
    Am Sonntagmorgen beim Frühstück stand Sheener jedoch wieder am Buffett hinter der Theke. Er hatte zwei blaue Augen, ein verbundenes rechtes Ohr, eine geschwollene Oberlippe und eine lange blutverkrustete Schramme am linken Unterkiefer; außerdem fehlten ihm zwei Vorderzähne.
    »Vielleicht ist er tatsächlich unter einen Lastwagen gekommen«, flüsterte Ruth, während sie in der Schlange vorrückten.
    Auch andere Kinder tuschelten über Sheeners Verletzungen, und einige von ihnen kicherten. Da ihn jedoch alle haßten, fürchteten oder verachteten, hatte niemand Lust, ihn direkt auf seinen Zustand anzusprechen.
    Laura, Ruth und Thelma schwiegen, als sie das Buffett erreichten. Je näher sie Sheener kamen, desto mitgenommener sah er aus. Obwohl seine Veilchen schon ein paar Tage alt waren, war das Fleisch noch immer schrecklich verfärbt und geschwollen; beide Augen mußten ursprünglich fast völlig zugeschwollen gewesen sein. Seine aufgeplatzten Lippen schienen zu eitern. Wo sein Gesicht nicht verfärbt oder aufgeschürft war, wirkte die sonst weißliche blasse Haut grau. Mit seinem borstigen kupferroten Haarschopf sah er komisch aus: ein Zirkusclown, der eine Treppe hinuntergeplumst war, ohne zu wissen, wie man richtig aufkam und sich nicht weh tat.
    Er sah nicht die Kinder an, deren Teller er füllte, sondern hielt seinen Blick stur auf die Milch und die Kuchenschnitten gesenkt. Als Laura vor ihm stand, schien er sich zu verkrampfen, ohne jedoch aufzublicken.
    An ihrem Tisch rückten Laura

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