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Der Schutzengel

Der Schutzengel

Titel: Der Schutzengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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und die Zwillinge ihre Stühle so zurecht, daß sie den Aal beobachten konnten. Das hier war eine Entwicklung, die sie sich eine Stunde zuvor nicht hätten träumen lassen. Er erregte jetzt mehr Neugier denn Angst. Anstatt ihm aus dem Weg zu gehen, verbrachten sie den ganzen Tag damit, ihn unauffällig bei der Arbeit zu beobachten, indem sie so taten, als wären sie nur zufällig in seiner Nähe. Dabei zeigte sich allmählich, daß er sich Lauras Gegenwart bewußt war, aber ängstlich jeden Blickkontakt mit ihr mied. Er sah andere Kinder an und blieb einmal im Spielzimmer stehen, um ein paar halblaute Worte mit Tammy Hinsen zu wechseln, aber er schien Lauras Blick ebenso ungern zu erwidern, wie er seine Finger in eine Steckdose gesteckt hätte.
    »Laura, er hat Angst vor dir«, stellte Ruth am späten Vormittag fest.
    »Verdammt noch mal, das stimmt!« bestätigte Thelma. »Hast du ihn vermöbelt, Shane? Hast du uns bisher verschwiegen, daß du Karatemeisterin bist?«
    »Wirklich merkwürdig, nicht wahr? Warum hat er Angst vor mir?«
    Aber Laura wußte Bescheid. Ihr spezieller Beschützer! Obwohl sie geglaubt hatte, selbst mit Sheener fertig werden zu müssen, hatte ihr Beschützer wieder eingegriffen und Sheener nachdrücklich aufgefordert, die Finger von ihr zu lassen.
    Sie wußte nicht recht, weshalb sie zögerte, den Ackersons von ihrem geheimnisvollen Beschützer zu erzählen. Die beiden waren ihre besten Freundinnen. Sie hatte Vertrauen zu ihnen. Trotzdem fühlte Laura intuitiv, daß ihr Beschützer ein heiliges Geheimnis bleiben mußte – daß sie das Wenige, was sie über ihn wußte, selbst Freundinnen gegenüber nicht gedankenlos ausplaudern durfte.
    In den folgenden beiden Wochen verblaßten die blauen Flecke des Aals, er konnte den Ohrverband abnehmen, unter dem eine feuerrote Stichnaht sichtbar wurde, mit der sein fast abgerissenes Ohr wieder angenäht worden war. Er achtete weiter auf Distanz zu Laura. Wenn er sie in der Cafeteria an der Theke bediente, hob er nicht mehr die besten Stücke für sie auf, und er weigerte sich standhaft, ihr in die Augen zu sehen.
    Gelegentlich ertappte Laura ihn jedoch dabei, daß er sie quer durch einen Raum anstarrte. Er wandte sich jedesmal rasch ab, aber in seinen blitzenden grünen Augen sah sie jetzt etwas, das noch schlimmer war als seine frühere perverse Gier: Wut. Offenbar machte er sie für die Tracht Prügel verantwortlich, die er bezogen hatte.
    Am 27. Oktober, einem Freitag, erfuhr Laura von Mrs. Bowmaine, daß sie am nächsten Tag zu neuen Pflegeeltern kommen sollte. Mr. und Mrs. Dockweiler, die in Newport Beach wohnten, hatten sich erst vor kurzem für das Pflegeelternprogramm gemeldet und wollten Laura gern bei sich aufnehmen.
    »Ich bin sicher, daß es diesmal besser klappt«, sagte Mrs. Bowmaine, die in einem Kleid mit aufgedruckten leuchtendgelben Blüten, in dem sie wie eine Sonnenliege aussah, neben ihrem Schreibtisch stand. »Die Schwierigkeiten, die du bei den Teagels verursacht hast, wiederholen sich bei den Dockweilers hoffentlich nicht.«
    Abends in ihrem Zimmer versuchten Laura und die Zwillinge, tapfere Gesichter aufzusetzen und so gleichmütig über die bevorstehende Trennung zu diskutieren, wie sie über ihre Abreise zu den Teagels gesprochen hatten. Aber sie standen einander jetzt näher als vor einem Monat – so nahe, daß Ruth und Thelma begonnen hatten, von Laura wie von einer Schwester zu sprechen. Thelma hatte einmal sogar gesagt: »Die erstaunlichen Ackerson-Schwestern, Ruth, Laura et moi «, und Laura hatte sich verstandener, geliebter und lebendiger gefühlt denn je zuvor in dem Vierteljahr seit dem Tode ihres Vaters.
    »Ich liebe euch, Mädels«, erklärte Laura.
    »Oh, Laura«, sagte Ruth und brach in Tränen aus.
    Thelma machte ein finsteres Gesicht. »Du bist garantiert bald wieder da. Diese Dockweilers sind bestimmt gräßliche Leute. Sie lassen dich in der Garage schlafen.«
    »Hoffentlich!« sagte Laura.
    »Sie verprügeln dich mit Gummischläuchen …«
    »Das wäre schön.«
    Diesmal war der Blitz, der in ihr Leben gefahren war, ein guter Blitz – so sah es wenigstens anfänglich aus.
    Die Dockweilers bewohnten eine riesige Villa in einem der besten Viertel von Newport Beach. Laura hatte ein eigenes Schlafzimmer mit Meerblick. Es war in Erdtönen gehalten – vor allem in Beige.
    »Wir haben nicht gewußt, was deine Lieblingsfarben sind«, sagte Carl Dockweiler, als sie ihr das Zimmer zeigten, »deshalb haben wir’s so

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