Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schutzengel

Der Schutzengel

Titel: Der Schutzengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
mit handgeschnitzten Verzierungen, etwa Ranken und Rosen, Cherubim und Banner, springende Hirsche, Vögel mit Bändern im Schnabel; aus Granit gemeißelte äußere Fensterrahmen, von denen zwei mit farbenprächtigen Trauben aus Keramikfrüchten im Della-Robbia-Stil geschmückt waren. Das zweieinhalb Hektar große Villengrundstück war ein sorgfältig gepflegter Park, in dem sich gepflasterte Wege durch eine subtropische Landschaft mit Pfauen, Palmen, duftenden Lorbeerbüschen, Feigenbäumen, mit roten Blüten überladenen Azaleen, Balsamsträuchern und Unmengen Blumen wanden, von denen Laura kaum die Hälfte mit Namen kannte.
    Nachdem Laura und Chris am frühen Nachmittag des 24. Dezember, einem Samstag, angekommen waren, führte Thelma sie durchs Haus und durch den Park. Danach tranken sie heißen Kakao und aßen von der Köchin gebackene Pastetchen, die das Dienstmädchen ihnen auf der geräumigen Terrasse über dem Swimming-pool servierte.
    »Ist das nicht verrückt, Shane? Hättest du dir vorstellen können, daß ein Mädchen, das fast zehn Jahre in Heimen wie McIllroy und Caswell zugebracht hat, eines Tages hier leben würde, ohne zuerst als Prinzessin wiedergeboren werden zu müssen?«
    Die Villa war so imposant, daß sie jeden Eigentümer dazu verleiten konnte, sich für sehr wichtig zu halten, und wer sie besaß, hatte sicher Mühe, nicht eitel und selbstzufrieden aufzutreten. Als Jason Gaines gegen 16 Uhr nach Hause kam, erwies er sich als einer der am wenigsten eingebildeten Männer, die Laura kannte – ein erstaunlicher Zug bei einem Mann, der seit 17 Jahren in der Filmbranche tätig war. Er war 38, um fünf Jahre älter als Thelma, und erinnerte an einen jüngeren Robert Vaughn, was weit besser war als »passabel aussehend«, wie Thelma ihn charakterisiert hatte. Er war kaum eine halbe Stunde zu Hause, als Chris und er bereits in einem seiner drei Hobbyräume mit einer riesigen Modelleisenbahn spielten, die auf einem fünf mal sechs Meter großen Tisch inmitten einer bis ins kleinste nachgebildeten Miniaturlandschaft mit Dörfern, Hügeln, Seen, Windmühlen, Wasserfällen, Straßen, Brücken und Tunnels aufgebaut war.
    Während Chris nachts im Zimmer nebenan schlief, besuchte Thelma ihre Freundin. Sie hockten in ihren Schlafanzügen im Schneidersitz auf dem Bett, als wären sie wieder kleine Mädchen, obwohl sie statt der Kekse geröstete Pistazien knabberten und Weihnachts-Champagner tranken statt Milch.
    »Das verrückteste daran ist, Shane, daß ich mich trotz meiner Herkunft hier wie zu Hause fühle. Ich komme mir nicht wie eine Fehlbesetzung vor.«
    Sie sah auch nicht wie eine Fehlbesetzung aus. Obwohl sie noch immer als Thelma Ackerson erkennbar war, hatte sie sich in den letzten Monaten auffällig verändert. Ihr Haar war eleganter und modischer geschnitten; sie war zum ersten Mal in ihrem Leben braungebrannt; sie trat mehr wie eine Frau und weniger wie eine Komikerin auf, die stets bemüht ist, mit jedem Wort, mit jeder Bewegung einen Lacherfolg zu erzielen. Auch der Schlafanzug der neuen Thelma war unauffälliger – und mehr sexy – als ihre früheren: am Körper anliegende, ungemusterte pfirsichfarbene Seide. Sie trug jedoch noch immer Häschenpantoffeln.
    »Häschenpantoffeln«, sagte sie, »erinnern mich daran, wer ich bin. Wer Häschenpantoffeln an den Füßen hat, kann nicht eingebildet werden. Solange man Häschenpantoffeln trägt, ist man nie in Gefahr, sein Gefühl für Proportionen zu verlieren und sich wie ein Star oder eine stinkreiche Lady aufzuführen. Außerdem geben Häschenpantoffeln mir Selbstvertrauen, weil sie flott aussehen und mir dauernd vorsagen: Was auch passiert, ich lasse mich nie sosehr unterkriegen, daß ich nicht mehr verrückt und frivol sein kann. Wenn ich mich nach dem Tod in der Hölle wiederfinde, werd’ ich’s dort mit Häschenpantoffeln aushalten können.«
    Der Weihnachtstag verging wie ein schöner Traum. Jason erwies sich als unverbesserlicher Romantiker, der sie dazu anstiftete, das Fest wie in ihrer Kindheit zu feiern.
    So versammelten sie sich in Schlafanzug, Bademantel oder Morgenrock unter dem Weihnachtsbaum, sangen Weihnachtslieder, packten lärmend und lachend ihre Geschenke aus, verzichteten auf ein gesundes Frühstück und aßen statt dessen Plätzchen, Süßigkeiten, Nüsse, Obstkuchen und Karamelpopcorn. Jason bewies, daß er nicht nur versucht hatte, den freundlichen Gastgeber zu spielen, als er den Vorabend mit Chris an seiner

Weitere Kostenlose Bücher