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Der Schutzengel

Der Schutzengel

Titel: Der Schutzengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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ausgeglichen werden konnte. Unabhängig von dem am Bestimmungsort herrschenden Wetter geschah das durch heftige Blitzentladungen, denen die ätherische Straße, auf der Zeitreisende sich fortbewegten, die Bezeichnung »Blitzstraße« verdankte. Aus bisher unerklärlichen Gründen löste die Rückkehr ins Institut – in die eigene Zeit des Reisenden – kein derartiges Himmelsfeuerwerk aus.
    Wie stets verebbten die anfangs einer Apokalypse würdigen Blitze zu einem fernen Wetterleuchten. Eine Minute später war die Nacht wieder still und dunkel.
    Mit dem Nachlassen der Blitzstrahlen waren seine Schmerzen stärker geworden – fast als wären die Blitze, die zuvor den Himmel gespalten hatten, jetzt in seiner Brust, seiner linken Schulter und seinem linken Arm gefangen: viel zu starke Energien, als daß ein Menschenleib sie hätte aufnehmen oder ertragen können.
    Er richtete sich kniend auf, kam schwankend auf die Beine und fürchtete, kaum eine Chance zu haben, lebend aus diesem Wald herauszukommen. Bis auf das phosphoreszierende Leuchten der Schneedecke auf der Lichtung war die Nacht unter bewölktem Himmel bedrohlich finster, ja rabenschwarz. Obwohl Windstille herrschte, war die Winterluft eisig, und er trug lediglich einen dünnen Laborkittel über Hemd und Hose.
    Noch schlimmer war, daß er unter Umständen kilometerweit von einer Straße oder irgendeinem markanten Geländepunkt entfernt war, der ihm eine Positionsbestimmung ermöglicht hätte. Betrachtete man die Zeitmaschine als Kanone, war ihre Treffsicherheit in bezug auf die Zeit beachtlich, aber das geographische Ziel wurde weit weniger genau getroffen. Der Zeitreisende kam im allgemeinen bis auf zehn Minuten genau zur gewünschten Zeit an – allerdings nicht unbedingt am gewünschten Ort. Manchmal war er weniger als hundert Meter von seinem Ziel entfernt; im ungünstigsten Fall konnten daraus jedoch 20 bis 25 Kilometer werden wie am 10. Januar 1988, als Stefan die Zeitreise unternommen hatte, um Laura, Danny und Chris vor dem Zusammenstoß mit dem schleudernden Kleinlaster der Robertsons zu bewahren.
    Bei allen früheren Reisen hatte er eine Karte des Zielgebiets und einen Kompaß bei sich gehabt, um für den Fall gerüstet zu sein, daß er sich in einem unwegsamen Gebiet wie diesem wiederfand. Da seine Seemannsjacke in einer Ecke des Labors zurückgeblieben war, besaß er weder Karte noch Kompaß, und der bewölkte Himmel verhinderte eine Orientierung nach den Sternen.
    Er stand ohne Stiefel, nur in Straßenschuhen bis fast zu den Knien im Schnee und hatte das Gefühl, sich sofort bewegen zu müssen, wenn er nicht festfrieren wollte. Nach einem Blick in die Runde, der ihm jedoch nicht die erhoffte Eingebung bescherte, wählte er willkürlich eine Richtung, stapfte los und hielt Ausschau nach einem Wildwechsel oder einem anderen natürlichen Pfad durch den tiefverschneiten Wald.
    Seine gesamte linke Körperhälfte vom Hals bis zur Hüfte brannte wie Feuer. Er konnte nur hoffen, daß die Kugel, die durch seinen Oberkörper gegangen war, keine Arterie zerrissen hatte und daß der Blutverlust so langsam fortschritt, daß er Laura zumindest noch erreichte und ihr Gesicht – das Gesicht, das er liebte – noch einmal sehen konnte, bevor er starb.
    Der erste Jahrestag von Dannys Ermordung fiel auf einen Dienstag, und obwohl Chris die Bedeutung dieses Tages nicht erwähnte, war klar, daß er sich ihrer bewußt war. Der Junge war ungewöhnlich still. Den größten Teil dieses traurigen Tages verbrachte er damit, im Wohnzimmer lautlos mit seinen »Master of the Universe«-Figuren zu spielen – ein Spiel, für das sonst lautstarke Imitationen von Laserwaffen, Schwertergeklirr und Raketentriebwerksgedröhn charakteristisch waren. Später lag er in seinem Zimmer auf dem Bett und las Comics. Er widerstand allen Bemühungen Lauras, ihn aus seiner selbstgewählten Einsamkeit herauszulocken, was vermutlich nur gut war; jeder ihrer Versuche, heiter zu sein, wäre unglaubwürdig gewesen und hätte Chris nur noch mehr deprimiert, weil er gespürt hätte, wie sehr auch seine Mutter gegen die Erinnerung an ihren schmerzlichen Verlust ankämpfte.
    Thelma, die erst vor vier Tagen angerufen hatte, um die frohe Botschaft zu verkünden, daß sie sich entschlossen habe, Jason Gaines zu heiraten, rief gegen 19.15 Uhr an, um mit ihrer Freundin zu schwatzen, als wäre ihr die Bedeutung dieses Tages gar nicht bewußt. Laura telefonierte von ihrem Arbeitszimmer aus, in dem sie noch

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