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Der Schutzengel

Der Schutzengel

Titel: Der Schutzengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Modelleisenbahn verbracht hatte; er beschäftigte sich den ganzen Tag mit dem Jungen und ließ dabei Humor und Einfühlungsvermögen erkennen. Beim Abendessen wurde Laura bewußt, daß Chris an diesem Tag mehr gelacht hatte als in den vergangenen elf Monaten.
    »Ein Klassetag, was, Mom?« sagte er, als sie ihn zu Bett brachte.
    »Ein großartiger Tag«, stimmte sie ihm bei.
    »Ich wollte bloß«, murmelte Chris schon schläfrig, »Daddy wäre hiergewesen und hätte mitspielen können.«
    »Das hätte ich mir auch gewünscht, Schatz.«
    »Aber in gewisser Beziehung ist er dabeigewesen, weil ich viel an ihn gedacht habe. Werde ich immer wissen, wie er gewesen ist, Mom – selbst nach Dutzenden und Dutzenden Jahren noch?«
    »Ich werde dir helfen, dich an ihn zu erinnern, Baby.«
    »Manchmal gibt’s Kleinigkeiten über ihn, weißt du, an die ich mich nicht mehr genau erinnern kann. Über die ich angestrengt nachdenken muß. Aber ich will ihn nicht vergessen, weil er mein Daddy gewesen ist.«
    Als Chris eingeschlafen war, ging Laura durch die Verbindungstür in ihr eigenes Zimmer hinüber. Sie war unendlich erleichtert, als Thelma wenige Minuten später zu einem weiteren Schwatz unter vier Augen aufkreuzte, denn ohne ihre Freundin hätte sie jetzt ein paar sehr schlimme Stunden durchgemacht.
    »Nehmen wir mal an, ich hätte Kinder, Shane«, sagte Thelma und setzte sich auf Lauras Bett. »Glaubst du, daß sie in der menschlichen Gesellschaft leben dürften – oder müßten sie in eine Art Aussätzigenkolonie für häßliche Kinder verbannt werden?«
    »Red keinen Unsinn!«
    »Ich könnte mir natürlich umfangreiche Schönheitsoperationen für sie leisten. Ich meine, selbst wenn sich zeigen sollte, daß sie von zweifelhafter Art sind, könnte ich’s mir leisten, sie halbwegs menschlich zu machen.«
    »Deine Art, dich selbst herabzusetzen, macht mich manchmal richtig wütend.«
    »Entschuldige. Daß liegt daran, daß ich keine Eltern gehabt habe, die an mich geglaubt haben. Ich habe das Selbstvertrauen und die Selbstzweifel einer Vollwaise.« Sie schwieg einen Augenblick, bevor sie lachend fragte: »He, weißt du schon das Neueste? Jason will mich heiraten! Anfangs habe ich gedacht, er sei von Dämonen besessen und außerstande, seine Zunge zu beherrschen, aber er versichert mir, daß wir keinen Teufelsaustreiber brauchen – obwohl er offenbar einen leichten Schlaganfall erlitten hat. Na, was hältst du davon?«
    »Was ich davon halte? Welche Rolle spielt das schon? Aber wenn du meine Meinung hören willst: ein toller Mann. Du läßt ihn dir doch nicht durch die Lappen gehen, oder?«
    »Ich befürchte, daß er zu gut für mich ist.«
    »Keiner ist zu gut für dich. Heirate ihn!«
    »Ich mache mir Sorgen, daß die Ehe schiefgeht und ich am Boden zerstört zurückbleibe.«
    »Und wenn du’s nicht einmal versuchst«, sagte Laura, »ist’s noch schlimmer – dann bist du allein.«
    Stefan spürte das vertraute, unangenehme Prickeln, das eine Begleiterscheinung von Zeitreisen war: ein eigenartiges Kribbeln, das von außen kommend Haut, Fleisch und Knochen durchdrang, um dann ebenso rasch vom Knochenmark ausgehend wieder nach außen zu verschwinden. Dann verließ er mit einem Plop! das Tor und torkelte im selben Augenblick am Abend des 10. Januar 1989 ein steiles Schneefeld in den kalifornischen San Bernardino Mountains hinunter.
    Er stolperte, fiel auf seine verletzte linke Seite, rollte im Schnee den Hang hinab und wurde erst von einem umgestürzten Baumstamm aufgehalten. Zum ersten Mal seit seiner Schußverletzung spürte er heftige Schmerzen. Er schrie laut auf, wälzte sich auf den Rücken, biß sich auf die Zunge, um nicht ohnmächtig zu werden, und starrte blinzelnd in den um ihn herum herrschenden nächtlichen Aufruhr.
    Ein weiterer Blitzstrahl spaltete den Nachthimmel, und aus dem klaffenden Spalt schien grellweißes Licht zu pulsieren. Im geisterhaften Schein der schneebedeckten Erde und im gleißenden Licht der unregelmäßig herabzuckenden Blitze sah Stefan, daß er sich auf einer Waldlichtung befand. Unbelaubte schwarze Bäume reckten ihre kahlen Äste wie fanatische Gläubige, die einen gewalttätigen Gott anbeteten, in den lichtdurchzuckten Himmel. Nadelbäume mit weißen Chorhemden aus Schnee standen wie ernste Priester eines feierlichen Ritus zwischen ihnen.
    Bei seiner Ankunft störte ein Zeitreisender das Gleichgewicht der Naturkräfte so sehr, daß dieses nur durch Freisetzung riesiger Energiemengen

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