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Der Schwarm

Der Schwarm

Titel: Der Schwarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Schritt nach vorn machte, versank er augenblicklich in der Eiseskälte der See. Sie schlug über seinem Kopf zusammen, und alles war nur noch schwarz. Er wollte schreien und schluckte Wasser. Es drang schmerzhaft in seine Lungen. Unerbittlich zog es ihn nach unten, wie sehr er auch um sich schlug. Sein Herz pochte wie wild, in seinen Schläfen pochte es, ein Dröhnen wie von Hammerschlägen ...
    Anawak fuhr hoch und knallte mit dem Kopf gegen die Bohlen.
    »Verdammt«, stöhnte er.
    Wieder das Pochen. Keine Spur von Dröhnen. Eher ein gemäßigtes Pochen, Fingerknöchel auf Holz. Er rollte sich auf die Seite und sah Alicia Delaware, die leicht gebückt in seine Koje spähte.
    »'tschuldige«, sagte sie. »Ich wusste nicht, dass du gleich hochgehst wie eine Rakete.«
    Anawak starrte sie an. Delaware?
    Ach ja. Langsam setzte sich die Erinnerung daran zusammen, wo er war. Er hielt sich den Schädel, gab ein gepeinigtes Grunzen von sich und ließ sich zurückfallen.
    »Wie viel Uhr ist es?«
    »Halb zehn.«
    »Mist.«
    »Du siehst furchtbar aus. Hast du schlecht geträumt?«
    »Irgendeinen Käse.«
    »Ich kann Kaffee machen.«
    »Kaffee? Ja, gute Idee.« Seine Finger betasteten die Stelle, an der er sich den Schädel gerammt hatte, und zuckten zurück. Das würde eine ansehnliche Beule geben. »Wo ist der blöde Wecker? Ich weiß genau, dass ich ihn gestellt habe. Auf sieben.«
    »Du hast ihn überhört. Kein Wunder, nach allem, was passiert ist.« Delaware ging hinüber zu der kleinen Küchenzeile und sah sich prüfend um. »Wo ist...«
    »Hängeschrank, linke Seite. Kaffee, Filter, Milch und Zucker.«
    »Hast du Hunger? Ich kann prima Frühstück ...«
    »Nein.«
    Sie zuckte die Achseln und füllte Wasser in die Kanne der Kaffeemaschine. Anawak sah ihr einige Sekunden zu, dann stemmte er sich aus der Koje.
    »Dreh dich um. Ich muss mir was anziehen.«
    »Mach nicht so ein Theater. Ich guck dir schon nichts weg.«
    Er verzog das Gesicht, während er Ausschau nach seinen Jeans hielt. Sie lagen zusammengeknüllt auf der Sitzbank, die sich um den Kajüttisch bog. Das Anziehen erwies sich als schwierig. Ihm war schwindelig, und sein verletztes Bein schmerzte, als er versuchte, es anzuwinkeln.
    »Hat John angerufen?«, fragte er.
    »Ja. Vorhin.«
    »So eine Scheiße.«
    »Was?«
    »Jeder Tattergreis kommt schneller in die Hose. – Zum Teufel, warum habe ich den Wecker überhört? Ich wollte unbedingt ...«
    »Weißt du was? Du bist bescheuert, Leon. Echt bescheuert! Vor zwei Tagen hast du einen Flugzeugabsturz überlebt. Du hast ein dickes Knie, und bei mir ist das Gehirn ein bisschen verrutscht, na und? Wir hatten irrsinniges Glück. Wir könnten tot sein wie Danny und der Pilot, stattdessen leben wir. Und du maulst rum wegen deinem beschissenen Wecker und weil du gerade mal nicht das Rad schlagen kannst. – Fertig?«
    Anawak ließ sich auf die Sitzbank sinken.
    »Ist ja gut. Was sagt John?«
    »Er hat alle Daten beisammen. Und er hat sich das Video angesehen.«
    »Na toll. Und?«
    »Nichts und. Du sollst dir deine eigene Meinung bilden.«
    »Das ist alles?«
    Delaware füllte den Filter mit Kaffeepulver, setzte ihn auf die Kanne und stellte die Maschine an. Nach wenigen Sekunden erfüllte leises Schmatzen und Röcheln den Raum.
    »Ich habe ihm gesagt, dass du noch schläfst«, sagte sie. »Er meinte, ich soll dich nicht wecken.«
    »Warum denn das?«
    »Er sagt, du musst gesund werden. Womit er Recht hat.«
    »Ich bin gesund«, erwiderte Anawak trotzig.
    Tatsächlich war er sich dessen nicht wirklich sicher. Als die DHC-2 mit dem springenden Grauwal kollidiert war, hatte es der Maschine die rechte Tragfläche abgerissen. Danny, der Armbrustschütze, warvermutlich auf der Stelle tot gewesen – die Whistler hatte seine Leiche nicht gefunden, aber es konnte keinen Zweifel daran geben. Er war nicht rechtzeitig ins Innere gelangt, mit der Folge, dass die Seitentür des Flugzeugs beim Absturz offen gestanden hatte. Nur diesem Umstand verdankte es sich, dass Anawak überhaupt noch lebte. Beim Aufprall war er hinausgeschleudert worden. Danach konnte er sich an nichts mehr erinnern, auch nicht, was die üble Zerrung in seinem Knie verursacht hatte. Erst an Bord der Whistler war er wieder zu sich gekommen, ins Bewusstsein gerufen durch den pochenden Schmerz.
    Als Nächstes hatte er Delaware dort liegen sehen, und der Schmerz verlor jegliche Bedeutung. Sie sah aus wie tot. Bevor sein Entsetzen überhand nahm, hatte man ihn

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