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Der Schwarm

Der Schwarm

Titel: Der Schwarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Weile durch das tiefdunkelgrüne Universum gefallen war, befiel ihn eine regelrechte Euphorie, und er reckte die Arme wie ein Ikarus, der sich den Abgrund zum Himmel erkoren hat, berauschte sich am Gefühl der Schwerelosigkeit und sank tiefer und tiefer. Am Grund schimmerte ihm etwas entgegen, eine weite, eisige Landschaft, und der dunkle, grüne Ozean verwandelte sich in einen nächtlichen Himmel.
    Er stand am Rande eines Eisfeldes und blickte hinaus auf schwarzes, still daliegendes Wasser, über sich eine Fülle von Sternen.
    Frieden erfasste ihn.
    Wie wunderbar war es, einfach hier zu stehen. Der Eisrand würde sich vom Festland ablösen und als Scholle durch die nördlichen Meere treiben, immer höher hinauf, mit ihm als Passagier, dorthin, wo keine erdrückende Fragenlast mehr auf ihn wartete, sondern ein Zuhause. Sein Zuhause. Er würde zu Hause sein. Sehnsucht legte sich auf Anawaks Brust und trieb ihm Tränen in die Augen, funkelnde, grelle Tränen, die ihn blendeten, sodass er versuchte, sie abzuschütteln – und tatsächlich spritzten sie in die schwarze See und begannen sie zu erleuchten. Etwas stieg aus der Tiefe zu ihm empor. Das Wasser formte sich zu einer Gestalt, die in einiger Entfernung auf ihn zu warten schien, dort, wo er nicht hingehen konnte. Starr und kristallen stand sie da, das Licht der Sterne gefangen in ihrer Oberfläche.
    Ich hab sie gefunden, sagte die Gestalt.
    Sie hatte kein Gesicht und keinen Mund, doch ihre Stimme kam Anawak bekannt vor. Er trat näher heran, aber da war der Eisrand, und im schwarzen Wasser schwamm etwas Großes, Furcht Einflößendes.
    Du hast was gefunden?, fragte er.
    Seine eigene Stimme versetzte ihm einen Schrecken. Die Wortekamen zäh über seine Lippen. Sie quälten sich hervor wie grobschlächtige Tiere. Im Gegensatz zu dem, was die Gestalt gesagt oder vielleicht nur gedacht hatte, verwundeten sie die perfekte Stille über der Landschaft aus Eis, und plötzlich griff schneidende Kälte nach Anawak. Sein Blick suchte das Ding im Wasser, aber es war verschwunden.
    Na, was schon, sagte jemand neben ihm.
    Er wandte den Kopf und erblickte die zierliche Gestalt Samantha Crowes, der SETI-Forscherin.
    Du bist ziemlich ungeübt im Reden, sagte sie. Alles andere kannst du besser. Offen gestanden, es klingt schrecklich!
    Tut mir Leid, stammelte Anawak.
    So? Na ja. Vielleicht solltest du anfangen zu üben. Ich habe meine Außerirdischen gefunden. Weißt du noch? Wir haben endlich Kontakt aufnehmen können. Ist das nicht großartig?
    Anawak erzitterte. Er fand es keineswegs großartig, vielmehr verspürte er klamme Angst vor Crowes Außerirdischen, ohne zu wissen, warum.
    Und ... wer sind sie? Was sind sie?
    Die SETI-Forscherin deutete hinaus auf das schwarze Wasser jenseits des Eisrandes.
    Sie sind dort draußen, sagte sie. Ich denke, sie würden sich freuen, dich kennen zu lernen, sie lieben es nämlich, Kontakt aufzunehmen, aber dafür müsstest du dich zu ihnen hinbemühen.
    Ich kann nicht, sagte Anawak.
    Du kannst nicht? Crowe schüttelte verständnislos den Kopf. Warum kannst du nicht?
    Anawak starrte auf die dunklen, gewaltigen Rücken, die das Wasser durchpflügten. Es waren Dutzende, Hunderte. Ihm war klar, dass sie nur seinetwegen dort waren, und er wusste plötzlich, dass sie sich von seiner Angst nährten. Sie fraßen Angst.
    Ich ... kann einfach nicht.
    Du musst doch nur losgehen, Feigling!, spottete Crowe. Das ist doch nun wirklich das Einfachste von der Welt. Du hast es viel einfacher als wir, wir mussten den ganzen verdammten Weltraum abhorchen.
    Anawak zitterte noch stärker. Er trat bis dicht an den Rand und schaute hinaus. Am Horizont, wo die schwarze See den sternübersäten Himmel in sich aufnahm, erstrahlte ein fernes Leuchten.
    Geh einfach, sagte Crowe.
    Ich bin geflogen, dachte Anawak. Durch einen dunkelgrünen Ozean, der voller Leben war, und ich hatte nicht die geringste Angst. Wassoll passieren? Das Wasser wird wie fester Boden sein, ich werde in dieses Licht gelangen, getragen von meinem Willen. Sam hat Recht. Es ist ganz einfach. Es gibt nichts, wovor man sich fürchten müsste.
    Vor seinen Augen tauchte eines der Riesentiere ab, und eine kolossale, zweizipfelige Fluke reckte sich den Sternen entgegen.
    Nichts, wovor ich mich fürchten müsste.
    Aber er hatte zu lange gezögert, und der Anblick der Fluke hatte ihn verunsichert. Weder trug ihn sein Wille noch die Macht des Traumes, Naturgesetze außer Kraft zu setzen. Als er endlich einen

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