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Der Schwarm

Der Schwarm

Titel: Der Schwarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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auch unseres Landes war in den letzten Tagen mehr als dürftig. Es ist kaum möglich, die Meinung von Fachleuten einzuholen, weil Ihre Dienststellen jeden Kontakt abblocken.«
    »Doch«, knurrte Anawak. »Greywolf hat seinen Sabber abgesondert. Nicht zugehört?«
    Aber hatte jemand Ford um ein Interview gebeten? Oder Ray Fenwick? Rod Palm gehörte zu den führenden Orca-Forschern, aber war er in den letzten Wochen je von einer Zeitung oder einem Fernsehsender angesprochen worden? Ihn selber, Leon Anawak, hatte Scientific American erst kürzlich in einem Artikel über Intelligenzforschung bei Meeressäugern gewürdigt, aber niemand war erschienen, um ihm ein Mikrophon unter die Nase zu halten.
    Erst jetzt fiel ihm die Absurdität des Ganzen auf. Unter anderen Umständen – Terroranschläge, Flugzeugabstürze, Naturkatastrophen – wurde jeder Experte oder wer sich dafür hielt innerhalb von 24 Stunden nach Bekanntwerden vor die Kameras gezerrt.
    Sie hingegen arbeiteten im Stillen.
    Dann musste er sich eingestehen, dass auch Greywolf seit seinem letzten Zeitungsinterview nicht mehr öffentlich stattfand. In den Tagen zuvor hatte der radikale Umweltschützer kaum eine Chance ungenutzt verstreichen lassen, sich in Pose zu setzen, aber plötzlich war der Held von Tofino kein Thema mehr.
    »Das sehen Sie ein bisschen einseitig«, sagte Li ruhig. »Die Situation ist sicher ungewöhnlich. Es gibt so gut wie keine vergleichbaren Fälle. Natürlich achten wir darauf, dass nicht jeder sogenannte Experte voreilige Schlüsse äußert, alleine schon, weil wir mit den Dementis nicht nachkommen würden. Abgesehen davon sehe ich derzeit keine Bedrohung, der sich nicht entgegenwirken ließe.«
    »Wollen Sie damit sagen, Sie haben alles im Griff?«
    »Wir arbeiten dran.«
    »Einige meinen, Sie versagen.«
    »Ich weiß nicht, was die Leute von uns erwarten. Der Staat wird kaum mit Kriegsschiffen und Black Hawks gegen Wale zu Felde ziehen.«
    »Wir hören täglich von neuen Opfern. Die kanadische Regierung jedenfalls hat sich bislang darauf beschränkt, die Gewässer vor British Columbia zur Krisenregion zu erklären ...«
    »Für Kleinschiffe. Der normale Fracht- und Fährenverkehr ist nicht betroffen.«
    »Hat es in jüngster Vergangenheit nicht wiederholt Meldungen über das Verschwinden von Schiffen gegeben?«
    »Noch einmal: Das waren Fischerboote, kleine Motorschiffe«, erklärte Li im Tonfall unendlicher Geduld. »Es kommt immer wieder zum Verlust von Schiffen. Wir gehen diesen Berichten nach. Selbstverständlich wird mit allem Aufwand nach Überlebenden gesucht. Ich möchte dennoch davor warnen, jeden ungeklärten Vorfall auf hoher See sofort mit Tierattacken in Verbindung zu setzen.«
    Der Moderator rückte seine Brille zurecht.
    »Helfen Sie mir, sollte ich mich irren – aber gab es da nicht auch die Havarie eines Großfrachters der Inglewood-Reederei in Vancouver, in deren Verlauf ein Hochseeschlepper sank?«
    Li legte die Fingerspitzen aufeinander.
    »Sie meinen die Barrier Queen?«
    Der Moderator warf einen Blick auf die Notizen in seiner Rechten.
    »Korrekt. Es ist so gut wie nichts darüber bekannt geworden.«
    »Natürlich nicht«, entfuhr es Anawak.
    Er hatte es gewusst. Er hatte nur vergessen, in den letzten beiden Tagen mit Shoemaker darüber zu sprechen.
    »Die Barrier Queen«, sagte Li, »hatte einen Schaden am Ruderblatt. Ein Schlepper sank durch ein falsch durchgeführtes Ankopplungsmanöver.«
    »Nicht als Folge eines Angriffs? Meine Notizen ....«
    »Ihre Notizen sind falsch.«
    Anawak erstarrte. Was zum Teufel redete diese Frau da?
    »Nun, General, können Sie uns wenigstens etwas über den Absturz eines Wasserflugzeugs der Tofino Air vor zwei Tagen sagen?«
    »Ein Flugzeug ist abgestürzt, ja.«
    »Es ist angeblich mit einem Wal kollidiert.«
    »Wir untersuchen auch diesen Vorfall. Verzeihen Sie, wenn ich nicht zu jedem Ereignis Stellung beziehen kann, aber meine Arbeit ist eher übergeordneter Natur....«
    »Natürlich.« Der Moderator nickte. »Also reden wir über Ihre Position. Was umfasst Ihre Arbeit? Wie muss man sich das vorstellen? Augenblicklich können Sie ja offenbar nur reagieren.«
    Ein Anflug von Belustigung zuckte über Lis Gesichtszüge.
    »Es liegt nicht in der Natur von Krisenstäben, ausschließlich zu reagieren, wenn ich das sagen darf. Wir nehmen Krisenlagen auf, führenund wickeln sie ab. Das beinhaltet Früherkennung, vollständige und klare Darstellung, Prävention, Evakuierung, all

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