Der Schwarm
gestorben.«
Er dachte darüber nach.
»Ja«, sagte er. »Wahrscheinlich.«
Delaware trat zu einem Regal, auf dem in Plastik gegossene Modelle von Walen angeboten wurden. Es gab sie in allen Größen. Von daumenlang bis zur Länge eines Unterarms. Mehrere Buckelwale stützten sich einträchtig auf ihre Flipper. Sie nahm einen davon hoch und drehte ihn in den Fingern hin und her. Anawak sah ihr lauernd dabei zu.
»Sie tun das nicht freiwillig«, sagte sie.
Er rieb sich das Kinn. Dann beugte er sich vor und schaltete den kleinen tragbaren Fernseher neben dem Funkgerät ein. Vielleicht würde sie ja von selber gehen, ohne dass er sie darum bitten musste. Er hatte nichts gegen ihre Gesellschaft. Im Grunde schämte er sich für seine üble Laune und dafür, dass er grob und abweisend zu ihr war, aber sein Bedürfnis, allein zu sein, wuchs mit jeder Minute.
Delaware stellte den Plastikwal behutsam wieder ins Regal.
»Darf ich dich was Persönliches fragen?«
Schon wieder! Anawak setzte zu einer schroffen Antwort an. Dann zuckte er die Achseln. »Meinetwegen.«
»Bist du ein Makah?«
Vor Überraschung wäre ihm beinahe die Flasche aus der Hand gerutscht. Das also hatte sie ihn fragen wollen. Sie wollte wissen, warum er wie ein Indianer aussah.
»Wie kommst du denn gerade darauf?«, stieß er hervor.
»Du hast etwas gesagt, kurz bevor das Flugzeug startete. Etwas zu Shoemaker. Dass Greywolf es sich mit den Makah verderben würde, weil er so vehement gegen den Walfang wettert. Die Makah sind Indianer, richtig?«
»Ja.«
»Deine Leute?«
»Die Makah? Nein. Ich bin kein Makah.«
»Bist du ....«
»Hör zu, Licia, sei mir nicht böse, aber ich bin einfach nicht in der Stimmung für Familiengeschichten.«
Sie kniff die Lippen zusammen. »Okay.«
»Ich ruf dich an, wenn Ford sich meldet.« Er grinste schief. »Oder du rufst mich an. Vielleicht meldet er sich ja wieder mal bei dir, um mich nicht zu wecken.«
Delaware schüttelte ihren roten Schopf und ging langsam zur Tür. Dort blieb sie stehen.
»Nur eines noch«, sagte sie, ohne sich umzudrehen. »Bedank dich endlich bei Greywolf dafür, dass er dir das Leben gerettet hat. Ich war jedenfalls dort.«
»Du warst...«, fuhr er auf.
»Ja, natürlich. Du kannst ihn für alles andere verabscheuen, aber so viel Dank hat er verdient. Ohne ihn wärst du tot.«
Damit ging sie.
Anawak starrte ihr nach. Er knallte die Flasche auf den Tisch und atmete einmal tief durch.
Bedanken. Bei Greywolf.
Er saß noch immer dort, als er beim Zappen auf eine der vielen Sondersendungen stieß, die in diesen Tagen zur Situation vor British Columbia gebracht wurden. Ähnliche Sendungen empfing man aus den USA. Auch dort hatten Angriffe den regionalen Schiffsverkehr weitestgehend lahm gelegt. Im Fernsehstudio wurde eine Frau in Navy-Uniform interviewt. Ihre kurz geschnittenen schwarzen Haare hatte sie glatt zurückgekämmt. Das Gesicht war von strenger Schönheit, asiatisch geschnitten. Vielleicht eine Chinesin. Nein, eher Halbchinesin. Eine entscheidende Kleinigkeit passte nicht zum Rest. Es waren die Augen. Sie waren von einem hellen, völlig unasiatischen Wasserblau.
Ein Balken wurde am unteren Bildrand eingeblendet:
General Commander Judith Li, US Navy
»Müssen wir die Gewässer vor British Columbia denn jetzt abschreiben?«, fragte der Moderator gerade. »Sozusagen zurückgeben an die Natur?«
»Ich glaube nicht, dass wir der Natur etwas zurückzugeben haben«, erwiderte Judith Li. »Wir leben im Einklang mit der Natur, auch wenn es da noch einiges zu verbessern gibt.«
»Augenblicklich lässt sich wohl kaum von Einklang sprechen.«
»Nun, wir stehen mit den angesehensten Wissenschaftlern und Forschungsinstituten diesseits und jenseits der Grenze in engem Kontakt. Es ist Besorgnis erregend, wenn Tiere kollektive Verhaltensänderungen an den Tag legen, aber es wäre ebenso verkehrt, die Situation zu dramatisieren und in Panik zu verfallen.«
»Sie glauben nicht an ein Massenphänomen?«
»Darüber zu spekulieren, welcher Art ein Phänomen ist, setzt voraus, es überhaupt mit einem Phänomen zu tun zu haben. Augenblicklich würde ich von einer Kumulation ähnlicher Ereignisse sprechen ....«
»Die in der Öffentlichkeit so gut wie nicht stattfinden«, fuhr ihr der Moderator dazwischen. »Warum eigentlich nicht?«
»Aber sie finden doch statt.« Li lächelte. »In diesem Augenblick.«
»Was uns ebenso freut wie überrascht. Die Informationspolitik sowohl Ihres wie
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