Der Schwarm
dann ... Bitte bedenken Sie, dass es eine Aufgabe im Interesse der Allgemeinheit wäre.«
Johanson wurde beinahe schlecht vor Zorn. Er fühlte eine scharfe Erwiderung aufsteigen und schluckte sie hinunter.
»Verstehe«, sagte er steif.
»Und wie lautet Ihre Entscheidung?«
»Dieser Aufgabe werde ich mich natürlich nicht verschließen.«
Er warf Lund einen Blick zu, von dem er hoffte, dass er sie zumindest durchbohrte, wenn nicht in Stücke schnitt. Sie hielt eine Weile stand, dann sah sie weg.
Skaugen nickte ernst. »Hören Sie, Dr. Johanson, Statoil ist Ihnen überaus dankbar. Alles, was Sie schon für uns getan haben, sichert Ihnen höchste Anerkennung. Aber vor allem eines sollten Sie wissen: Was mich persönlich angeht, haben Sie in mir einen Freund gewonnen. Wir haben Sie überfahren, was die NTNU angeht. Aber ich werde mich im Gegenzug für Sie überfahren lassen, wenn es vonnöten sein sollte. Ich lasse mich für Sie kreuzigen, okay?«
Johanson sah den bulligen Mann an. Er sah in Skaugens klare blaue Augen.
»Okay«, sagte er. »Ich komme darauf zurück.«
»Sigur. Jetzt bleib doch endlich mal stehen!«
Lund kam hinter ihm hergelaufen, aber Johanson stapfte weiter den gepflasterten Weg entlangt, der zum Parkplatz führte. Das Forschungszentrum lag mitten im Grünen, fast idyllisch platziert auf einem Hügel nahe der Klippen, aber Johanson hatte keinen Blick für landschaftliche Schönheiten. Er wollte nur zurück in sein Büro.
»Sigur!«
Sie holte auf. Er ging weiter.
»Was soll das, du sturer Hund?«, schrie sie. »Willst du im Ernst, dass ich dir hinterherrenne?«
Johanson blieb abrupt stehen und drehte sich zu ihr um. Fast wäre sie in ihn hineingelaufen.
»Warum nicht? Du bist doch sonst immer so schnell.«
»Idiot.«
»Ach ja? Du bist schnell im Reden, schnell im Denken, du bist sogarschnell genug, deine Freunde zu verplanen, bevor sie ja oder nein sagen können. Ein kleiner Sprint wird dich ja wohl kaum umbringen.«
Lund funkelte ihn zornig an.
»Du selbstgerechtes Arschloch! Glaubst du wirklich, ich wollte über dein verdammtes Eigenbrötlerleben bestimmen?«
»Nicht? Das beruhigt mich.«
Er ließ sie stehen und nahm seinen Gang wieder auf. Lund zögerte eine Sekunde, dann heftete sie sich an seine Seite.
»Okay, ich hätte es dir sagen sollen. Es tut mir Leid, wirklich.«
»Ihr hättet mich fragen können!«
»Das wollten wir doch, verdammt nochmal. Skaugen ist einfach mit der Tür ins Haus gefallen, du hast alles falsch verstanden.«
»Ich habe verstanden, dass ihr mich der Uni abgeschachert habt, als sei ich ein Gaul oder was.«
»Nein.« Sie packte seinen Jackenärmel und zwang ihn anzuhalten. »Wir haben in der Sache vorgefühlt, nichts weiter. Wir haben einfach nur wissen wollen, ob sie dich unbefristet freistellen, falls du ja sagst.«
Johanson schnaubte. »Das klang eben ganz anders.«
»Es ist unglücklich gelaufen. Herrgott, ich schwöre es dir. Was soll ich denn noch alles tun? Sag mir, was ich tun soll?«
Johanson schwieg. Sein Blick und ihrer wanderten gleichzeitig zu Lunds Fingern, die sich immer noch in den Stoff seiner Jacke krallten. Sie ließ los und sah ihn an.
»Keiner will dich überfahren. Wenn du es dir anders überlegst, auch gut. Dann eben nicht.«
Irgendwo sang ein Vogel. Vom Fjord her wehte der Wind die Geräusche weit entfernter Motorboote herüber.
»Falls ich es mir anders überlege«, sagte er schließlich, »stehst du nicht besonders gut da, oder?«
»Ach, das.« Sie strich seinen Jackenärmel glatt.
»Komm schon.«
»Mach dir keine Gedanken um mich. Damit muss ich dann halt leben. Ich hätte dich ja nicht zu empfehlen brauchen, es war meine eigene Entscheidung, und ... na ja, du kennst mich. Ich bin halt vorgeprescht bei Skaugen.«
»Was hast du ihm gesagt?«
»Dass du es machen wirst.« Sie lächelte. »Ehrensache. Aber wie gesagt, das muss nicht dein Problem sein.«
Johanson fühlte, wie sein Zorn verrauchte. Er hätte gern noch eineWeile daran festgehalten, einfach aus Prinzip, um Lund nicht so davonkommen zu lassen. Aber die Wut war aufgebraucht.
Sie schaffte es immer wieder.
»Skaugen vertraut mir«, sagte Lund. »Ich konnte dich nicht in der Cafeteria treffen. Wir hatten ein Vier-Augen-Gespräch, in dem er mir mitteilte, was sie in Stavanger über Stones vertuschte Gutachten herausgefunden hatten. Stone, dieser verdammte Mistkerl. Er ist an allem schuld. Hätte er damals mit offenen Karten gespielt, stünden wir jetzt
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