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Der Schwarm

Der Schwarm

Titel: Der Schwarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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er. »Sie greifen auch Boote an.«
    »Mon Dieu! Was kann ein Hai gegen ein Boot ausrichten?«
    »Täuschen Sie sich nicht!« Peak lächelte dünn. »Ein ausgewachsener Weißhai ist durchaus in der Lage, ein kleines Boot durch Rammen oder Bisse zu versenken. Haiangriffe auf Flöße mit Schiffbrüchigen sindbelegt. Wenn mehrere Tiere zugleich beteiligt sind, besteht kaum Hoffnung, den Angriff zu überleben.«
    Er zeigte das Bild eines hübsch aussehenden kleinen Kraken, dessen Oberfläche mit leuchtend blauen Ringen überzogen war.
    »Des Weiteren: Hapalochlaene Maculosa. Der Blaugefleckte Oktopus, 20 Zentimeter lang. Australien, Neuguinea, Salomonen. Eines der giftigsten Tiere der Welt. Injiziert beim Biss toxische Enzyme in die Wunde. Man merkt kaum etwas davon, aber nach zwei Stunden ist man mausetot.« Die Fotoserie setzte sich mit teils bizarr anmutenden Lebewesen fort. »Steinfische, Petermännchen, Drachenköpfe, Feuerwürmer, Kegelschnecken – es gibt jede Menge giftiger Tiere in den Meeren. In den meisten Fällen dienen die Toxide der Verteidigung. Über die Unfallhäufigkeit liegen mehr oder weniger aussagekräftige Erhebungen vor. Bei vielen der Tiere ist die Statistik allerdings nach oben geschnellt, und es gibt dafür einen simplen Grund: Arten, die sich vorher tarnten und versteckten, haben begonnen, uns anzugreifen.«
    Roche beugte sich zu Johanson hinüber.
    »Ob etwas, das einen Hai verändert, auch einen Krebs verändern kann?«, hörte Li ihn flüstern. »Was meinen Sie?«
    Johanson wandte ihm den Kopf zu.
    »Darauf können Sie Gift nehmen.«
     
    Peak berichtete von den unermesslich großen Quallenschwärmen, die sich zu einer wahren Invasion ausgewachsen hatten und Südamerika, Australien und Indonesien bedrohten. Johanson lauschte mit halb geschlossenen Augen. Die Portugiesische Galeere löste neuerdings einen toxischen Schock aus, der binnen Sekunden tötete.
    »Der Einfachheit halber unterteilen wir die Vorgänge in drei Kategorien«, sagte Peak. »Verhaltensänderungen, Mutationen, Umweltkatastrophen. Sie bedingen einander. Bis jetzt haben wir über anormales Verhalten gesprochen. Bei den Quallen scheinen vorwiegend Mutationen aufzutreten. Seewespen konnten immer schon navigieren, aber neuerdings sind sie zu wahren Meistern avanciert. Man gewinnt den Eindruck von Patrouillen. Es scheint, als wollten sie ganze Gebiete von jeder menschlichen Anwesenheit säubern, ohne dass man viel gegen sie ausrichten könnte. Der Tauchtourismus ist praktisch zum Erliegen gekommen, aber am schlimmsten leiden die Fischer.«
    Ein Fabrikschiff erschien von der Sorte, die den Fang gleich an Bord zu Konserven verarbeitete.
    »Das ist die Anthanea. Vor vierzehn Tagen zog die Mannschaft eineRiesenladung chironex fleckeri an Bord – Seewespen. Besser gesagt etwas, wovon wir glauben, dass es chironex ist oder gewesen sein könnte. Es war ein Fehler, den Fang nicht augenblicklich wieder ins Meer zu entlassen. Stattdessen öffneten sie die Netze, was zur Folge hatte, dass sich mehrere Tonnen pures Gift auf Deck entluden. Einige Arbeiter starben sofort, andere später, als sich die meterlangen, haardünnen Tentakel über das Schiff verteilten. An dem Tag hat es geregnet. Das Wasser trug die Bestandteile der Quallen überallhin. Keiner kann sagen, wie das Gift schließlich ins Trinkwasser gelangte, jedenfalls wurde die Anthanea praktisch entvölkert. Seitdem ist man vorsichtiger und hält spezielle Schutzkleidung bereit, aber es ändert nichts am grundsätzlichen Übel. In weiten Teilen der Welt fangen die Flotten jetzt keinen Fisch mehr, sondern Gift.«
    Sie fangen keinen Fisch mehr, weil keiner mehr da ist, dachte Johanson. Das hättest du der Ordnung halber erwähnen sollen, Peak. Auch wenn es nicht der eigentliche Grund für das ist, was geschieht.
    Oder vielleicht doch?
    Natürlich war es der Grund. Einer von zahllosen.
    Er dachte an die Würmer.
    Mutierte Organismen, die plötzlich zu wissen schienen, was sie taten. Sah niemand, was vor sich ging? Sie erlebten die Symptome einer Krankheit, deren Erreger in allem steckte und in nichts offenkundig wurde, eine meisterliche Camouflage. Der Mensch hatte das Meer bis auf ein paar kümmerliche Reste leer gefischt, und jetzt hatten die verbliebenen Schwärme gelernt, den Todesfallen aus dem Weg zu gehen, während an ihrer statt Armeen giftbewehrter Soldaten dem maroden Fischereigewerbe den Rest gaben.
    Das Meer tötete den Menschen.
    Und du hast Tina Lund getötet, dachte

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