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Der Schwarm

Der Schwarm

Titel: Der Schwarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Prozedur einige Male, dann legten sie das Tier zurück in die Wanne.
    »Irgendwelche spontanen Meinungen?«, wollte Oliviera wissen.
    »Ich müsste mir das Innere ansehen«, sagte Roche.
    Rubin zuckte die Schultern. »Scheint sich normal zu verhalten, aber die Art habe ich noch nie gesehen. Sie vielleicht, Dr. Johanson?«
    »Nein.« Johanson dachte einen Moment nach. »Sie verhält sich nicht normal. Natürlicherweise würde sie den Spatel als Gegner sehen. Sie würde die Scheren spreizen und Drohgebärden vollführen. Meines Erachtens ist die Motorik in Ordnung, aber der Sinnesapparat nicht. Sie kommt mir vor, als ob ...«
    »Als hätte sie jemand aufgezogen«, sagte Oliviera. »Wie ein Spielzeug.«
    »Ja. Wie ein Mechanismus. Sie läuft wie eine Krabbe, aber sie verhält sich nicht wie eine Krabbe.«
    »Können Sie die Art bestimmen?«
    »Ich bin kein Taxonom. Ich kann Ihnen sagen, woran sie mich erinnert, aber Sie müssen das mit Vorsicht verbuchen.«
    »Nur zu.«
    »Es gibt zwei signifikante Merkmale.« Johanson nahm den Spatel und berührte nacheinander einige der leblosen Körper. »Zum einen, die Tiere sind weiß, also farblos. Farben dienen nie dem Schmuck, sie haben immer eine Funktion. Die meisten farblosen Lebewesen, die wir kennen, brauchen nur darum keine Farbe, weil niemand sie sehen kann. Die zweite Besonderheit ist das völlige Fehlen von Augen.«
    »Das heißt, sie stammen entweder aus Höhlen oder aus lichtlosen Tiefen«, sagte Roche.
    »Ja. Bei manchen Tieren, die ohne Sonnenlicht leben, sind die Augen stark verkümmert, aber rudimentär vorhanden. Man erkennt noch, wosie früher saßen. Diese Krabben hingegen ... nun, ich will nicht vorschnell urteilen, aber sie machen mir den Eindruck, als hätten sie niemals Augen besessen. Wenn das stimmt, würden sie nicht nur aus einer Welt völliger Schwärze stammen, sie wären auch dort entstanden. Ich kenne nur eine Krabbenart, für die das zutrifft und die so aussieht wie diese hier.«
    »Schlotkrabben«, nickte Rubin.
    »Und woher stammen die?«, fragte Roche.
    »Von hydrothermalen Schloten in der Tiefsee«, sagte Rubin. »Vulkanische Oasen. Sie sehen genauso aus wie Schlotkrabben.«
    Roche runzelte die Stirn.
    »Dann dürften sie an Land eigentlich keine Sekunde überleben.«
    »Die Frage ist, was da überlebt hat«, sagte Johanson.
    Oliviera fischte einen der leblosen Körper aus der Wanne, drehte ihn auf den Rücken und legte ihn auf die Arbeitsplatte. Nacheinander entnahm sie einer Schale eine Reihe von Werkzeugen, die an Hummerbesteck erinnerten. Sie fuhr mit einer winzigen, batteriebetriebenen Kreissäge seitlich des Panzers entlang, und sofort spritzte unter Hochdruck etwas Transparentes aus dem Innern. Oliviera fuhr ungerührt fort, den Panzer aufzuschneiden, hob die Unterseite mit den Beinen ab und legte sie beiseite.
    Sie starrten in das aufgeschnittene Tier.
    »Das ist keine Krabbe«, sagte Johanson.
    »Nein«, sagte Roche. Er deutete auf die halb flüssige, klumpige Gallertmasse, die den größten Teil des Panzers ausfüllte. »Es ist die gleiche Sauerei, die wir in den Hummern gefunden haben.«
    Oliviera begann, die Gallerte mit einem Löffel in ein Gefäß umzufüllen.
    »Schauen Sie mal da«, sagte sie. »Gleich hinter dem Kopf sieht es nach original Krabbe aus. Und sehen Sie die faserige Verzweigung entlang des Rückens? Das ist das Nervensystem. Das Tier hat seine Sinne noch beisammen, nur nichts drum herum, um sie zu nutzen.«
    »Doch«, sagte Rubin. »Die Gallerte.«
    »Also, es ist jedenfalls keine Krabbe im vollständigen Sinne.« Roche beugte sich über die Schale mit dem farblosen Glibber. »Eher ein Krabbenapparat. Funktions–, aber nicht lebensfähig.«
    »Was erklären würde, warum sie sich nicht wie Krabben verhalten. Es sei denn, wir identifizieren das Zeug im Innern als neue Art von Krabbenfleisch.«
    »Nie im Leben«, sagte Roche. »Es ist ein Fremdorganismus.«
    »Dann hat dieser Fremdorganismus dafür gesorgt, dass die Tiere an Land kamen«, bemerkte Johanson. »Und wir können uns überlegen, ob er in Tiere geschlüpft ist, die gestorben waren, um sie quasi wiederzubeleben ...«
    »Oder ob die Krabben so gezüchtet wurden«, ergänzte Oliviera.
    Eine Zeit lang herrschte unbehagliches Schweigen. Schließlich sagte Roche in die Stille hinein:
    »Was immer der Grund für ihr Hiersein ist, eines steht fest. Würden wir jetzt die Anzüge ausziehen, wären wir alle binnen kurzem tot. Ich schätze, wir werden die Viecher

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