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Der Schwarm

Der Schwarm

Titel: Der Schwarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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hatte begeistert in die Masse gegriffen und war schleimverschmiert mit einem Dutzend Kadaver zurückgekehrt, die er triumphierend in die Höhe hielt.
    »Nur ein toter Wurm ist ein guter Wurm«, donnerte er. »Höret meine Worte! Yeah!«
    Alle hatten applaudiert, auch Bohrmann.
    Nach einer Weile hatte sich der aufgewirbelte Schlamm gelegt, und sie blickten auf marmoriertes Lavagestein. Vereinzelt stiegen dünne Blasenschnüre daraus hervor. Die Kameras der Lichtinsel zoomten, sodass Bohrmann ziemlich genau erkannte, was es mit der Marmorierung auf sich hatte.
    »Bakterienmatten«, sagte er.
    Frost sah ihn an. »Und was heißt das?«
    »Schwer zu sagen.« Bohrmann rieb seine Fingerknöchel an seinem Kinn. »Solange sie die Oberfläche besiedeln, droht keine Gefahr. Ich weiß nicht, wie viel von dem Zeug bereits ins Innere des Sediments vorgedrungen ist. Die schmutzig grauen Linien dazwischen, das ist übrigens Hydrat.«
    »Es existiert also noch.«
    »Was wir sehen, existiert. Aber wir wissen nicht, wie viel vorher da war und wie viel zersetzt wurde. Der Blasenaustritt hält sich im tolerierbaren Bereich. Ich würde mit einiger Vorsicht sagen, dass wir zumindest nicht unerfolgreich waren.«
    »Doppelte Verneinung ist auch ein Ja«, nickte Frost befriedigt und stand auf. »Ich hole uns einen Kaffee.«
    Anschließend hatten sie stundenlang weiter zugesehen, wie der Sauger das Plateau abgraste, bis ihnen die Augen brannten. Schließlich scheuchte van Maarten Frost ins Bett, damit er sich ausruhte. Frost und Bohrmann hatten drei Nächte lang kaum geschlafen. Während Frost noch protestierte, fielen ihm die Augen zu, und er wankte mit letzter Kraft in seine Kammer.
    Bohrmann blieb mit van Maarten zurück. Es war 23.00 Uhr.
    »Sie sind der Nächste, der schlafen geht«, bemerkte der Holländer.
    »Ich kann nicht schlafen gehen.« Bohrmann fuhr sich über die Augen. »Außer mir kennt sich niemand hinreichend mit Hydraten aus.«
    »Doch, wir kennen uns aus.«
    »Es dauert ja nicht mehr lange«, sagte Bohrmann.
    Er war wirklich am Ende. Die Pilotenteams waren schon dreimal ausgetauscht worden. Aber in wenigen Stunden würde Erwin Suess mit dem Helikopter aus Kiel eintreffen, und so lange musste er eben noch durchhalten.
    Er gähnte. Mittlerweile war die Nacht hereingebrochen. Leises Summen erfüllte den Raum. Die Lichtinsel und der Sauger waren im Verlauf der letzten Stunden langsam, aber stetig nach Norden vorgerückt. Wenn die Daten der Polarstern-Expedition zutrafen, tummelten sich die Würmer nur auf dieser Terrasse. Er schätzte, dass es noch einige Tage dauern würde, um sie gänzlich abzusaugen, aber inzwischen regte sich wieder Hoffnung in ihm. Der Blasenaustritt lag über dem zu erwartenden Wert, gab jedoch nicht wirklich Anlass zur Besorgnis. Wenn die Würmer und die Bakterienhorden verschwanden, würden sich angefressene Hydrate vielleicht wieder stabilisieren.
    Mit gesenkten Lidern beobachtete er die Monitore.
    Seine Müdigkeit war schuld, dass die Veränderungen erst in sein Bewusstsein drangen, nachdem er schon eine Weile darauf gestarrt hatte. Er beugte sich vor.
    »Da glitzert was«, sagte er. »Nehmen Sie den Sauger weg.«
    Van Maarten kniff die Augen zusammen. »Wo?«
    »Schauen Sie auf die Monitore. In dem Gewühl blitzte eben was auf. – Da, schon wieder!«
    Auf einmal war er hellwach. Jetzt zeigten auch die Kameras der Lichtinsel, dass etwas nicht stimmte. Die obligatorische Sedimentwolke um den Schlund des Saugers hatte sich aufgebläht. Dunkle Brocken und Blasen wirbelten darin herum und trieben nach oben.
    Die Saugerbildschirme wurden schwarz. Der Schlund des Rüssels schlug zur Seite aus.
    »Verdammt, was passiert da?«
    Aus dem Lautsprecher drang die Stimme des Piloten:
    »Wir ziehen größere Sachen in uns rein. Der Sauger wird instabil. Ich weiß nicht, ob ...«
    »Weg damit!«, rief Bohrmann. »Weg vom Hang!«
    Schon wieder, dachte er verzweifelt. Wie damals auf der Sonne. Ein Blowout. Sie hatten zu lange auf dieselbe Stelle gehalten, und hier war das Plateau instabil geworden. Der Unterdruck riss das Sediment auseinander.
    Nein, kein Blowout. Schlimmer noch.
    Der Saugrüssel versuchte sich aus der Sedimentwolke zurückzuziehen. Sie blähte sich weiter auf, und plötzlich schien sie regelrecht zu explodieren. Eine Druckwelle erschütterte die Lichtinsel. Das Bild schwankte auf und nieder.
    »Wir haben eine Rutschung«, schrie der Pilot.
    »Schalten Sie den Sauger ab.« Bohrmann sprang auf.

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