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Der Schwarm

Der Schwarm

Titel: Der Schwarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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zu halten.
    In der Küche begann ein Riesenwirbel. Li war dafür bekannt, absonderliche Ideen aus dem Hut zu zaubern und darauf zu beharren, dass sie innerhalb kürzester Zeit umgesetzt wurden. Karibufleisch wanderte in Töpfe und Pfannen. Maktaaq, knusprige Narwalhaut, wurde aufgeschnitten, aus Robbenstew eine Suppe zubereitet und Eiderenteneier wurden gekocht. Der Bäcker der Independence versuchte sich an Bannock, einem ungesäuerten, flachen und recht schmackhaften Fladenbrot, dessen fachgerechte Zubereitung die Inuit zu jährlichen Backwettbewerben trieb. Lachs und Wandersaibling wurden filettiert und zusammen mit Kräutern gebraten, gefrorenes Walrossfleisch in eine Art Carpaccio verwandelt, Berge von Reis gegart. Peak, in kulinarischen Dingen restlos überfordert, hatte einfach alles kommen lassen, was nicht schon vorrätig war, und sich dabei blind auf die grönländischen Berater verlassen. Nur eine Spezialität war ihm suspekt erschienen: Roher Walrossdarm, wenngleich heiß angepriesen, gehörte nun wirklich zu den Dingen, auf die man seiner Ansicht nach verzichten konnte.
    Für Brücke und Maschinenraum hatte er eine Notbesetzung eingeteilt, ebenso für das CIC. Ansonsten erschien pünktlich um 21.00 Uhr die vollzählige Bewohnerschaft der Independence an Deck: Crew, Wissenschaftler und Soldaten. So leer sich die Räume des Riesenschiffs tagsüber ausnahmen, so voll wurde es nun auf dem Dach. Rund 160Menschen nahmen ihren alkoholfreien Begrüßungscocktail in Empfang und verteilten sich an Steh- und Sitztischen, bis das Buffet eröffnet wurde, und irgendwann begann jeder mit jedem zu reden.
    Es war eine seltsame Party, die Li da ins Leben gerufen hatte – das stählerne Hochhaus der Insel im Rücken und ringsum der Blick auf die einsame Weite des Meeres. Der Dunst war zurückgewichen und hatte am Horizont surreale Wolkenberge geformt, zwischen denen sich immer wieder der tief stehende Sonnenball hervorschob. Die Luft prickelte kalt und klar, und über allem wölbte sich ein tiefblauer Himmel.
    Eine Weile schien jeder bemüht, die Themen auszuklammern, derentwegen sie hier waren. Es tat gut, sich über andere Dinge zu unterhalten. Zugleich hatte es etwas Verkrampftes, beinahe Verzweifeltes, wie alle versuchten, die Konversation an der Oberfläche zu halten, als seien sie per Zufall auf einer Vernissage zusammengetroffen. Kurz vor Mitternacht, im beginnenden Dämmerlicht, brach dann der spröde Schutz, der sie vom Zweck ihres Hierseins abschirmte. Inzwischen duzten sich die meisten. Die Windlichter auf den Tischen entfalteten ihre gravitative Kraft. Man scharte sich zu Grüppchen, versammelte sich um die Schamanen der Aufklärung, um sich Trost zu holen, den diese nicht bieten konnten.
    »Jetzt mal im Ernst«, sagte Buchanan kurz nach 1.00 Uhr zu Crowe. »Sie glauben doch nicht wirklich an intelligente Einzeller?«
    »Und warum nicht?«, fragte Crowe.
    »Na ja, ich bitte Sie. Wir reden von intelligentem Leben, richtig?«
    »Sieht so aus.«
    »Also ...« Buchanan rang nach Worten. »Ich erwarte ja nicht, dass die uns ähnlich sehen, aber schon was Komplexeres als Einzeller. Man sagt, Schimpansen seien intelligent, Wale und Delphine, und sie haben alle einen komplexen Körperbau und ein großes Gehirn. Ameisen, haben wir gelernt, sind zu klein, um echte Intelligenz hervorzubringen. Wie soll das bei Einzellern funktionieren?«
    »Werfen Sie da nicht einiges durcheinander, Käpt'n?«
    »Was?«
    »Das, was funktionieren würde, und das, was Ihnen behagen würde.«
    »Ich verstehe nicht, was Sie meinen.«
    »Sie meint«, sagte Peak, »wenn wir uns schon mit dem Gedanken anfreunden müssen, dass der Mensch die Vorherrschaft abgibt, dann wenigstens an einen starken und gewaltigen Gegner. Groß und gut aussehend und mit Muskeln.«
    Buchanan schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.
    »Ich glaube es einfach nicht. Ich glaube nicht daran, dass primitive Organismen diesen Planeten beherrschen sollten und dass sie es an Intelligenz mit Menschen aufnehmen. Das funktioniert nicht! Menschen sind fortschrittliche Wesen ...«
    »Fortschritt? Komplexität?« Crowe schüttelte den Kopf. »Was meinen Sie? Ist Evolution Fortschritt?«
    Buchanan sah gequält drein.
    »Gut, schauen wir mal«, sagte Crowe. »Evolution, das ist der Kampf ums Dasein, das Überleben des Stärksten, um bei Darwin zu bleiben. Beides resultiert aus Widrigkeiten, entweder aus dem Kampf gegen andere Lebewesen oder gegen Naturkatastrophen. Es gibt also

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