Der Schwarm
eine Weiterentwicklung durch Auslese. Aber führt das automatisch zu höherer Komplexität? Und ist höhere Komplexität ein Fortschritt?«
»Ich bin nicht sehr bewandert in Evolution«, sagte Peak. »Mir stellt es sich so dar, dass die meisten Lebewesen im Verlauf der Naturgeschichte immer größer und komplexer geworden sind. Auf jeden Fall die menschliche Rasse. Aus meiner Sicht ganz klar das Resultat eines Trends.«
»Ein Trend? Falsch. Wir sehen nur einen kleinen historischen Ausschnitt, innerhalb dessen gerade mit Komplexität experimentiert wird, aber wer sagt uns, dass wir nicht als Sackgasse der Evolution enden? Es ist unsere Selbstüberschätzung, mit der wir uns als vorläufigen Höhepunkt eines natürlichen Trends betrachten. Sie alle wissen, wie ein Evolutionsstammbaum aussieht, dieses verzweigte Gebilde mit Haupt- und Nebenästen. Also, Sal, wenn Sie sich so einen Baum vorstellen, wo würden Sie die Menschheit sehen? In einem Haupt- oder Nebenast?
»Zweifellos als Hauptast.«
»Das hatte ich erwartet. Es entspricht der menschlichen Sichtweise. Wenn viele Arme einer Tierfamilie auseinander streben und eine überlebt, während alle anderen aussterben, neigen wir dazu, den Überlebenden zum Hauptarm zu erklären. Warum? Nur weil er – noch – überlebt? Vielleicht sehen wir aber nur eine unbedeutende Nebenlinie, die es ein bisschen länger schafft als die anderen. Wir Menschen sind die einzige verbliebene Art eines einst üppigen Evolutionsbusches. Der Rest einer Entwicklung, deren übrige Zweige verdorrt sind, der letzte Überlebende eines Experiments mit Namen Homo. Homo Australopithecus: ausgestorben. Homo habilis: ausgestorben. Homo sapiens neanderthalensis: ausgestorben. Homo sapiens sapiens: noch da. Vorübergehend haben wir die Vorherrschaft über den Planeten errungen, aber Vorsicht! – Parvenüs der Evolution sollten Vorherrschaft nicht mitinnerer Überlegenheit und längerfristigem Überleben verwechseln. Wir könnten schneller wieder verschwunden sein, als uns lieb ist.«
»Möglicherweise haben Sie Recht«, sagte Peak. »Aber Sie lassen etwas Entscheidendes außer Acht. Diese einzige überlebende Art besitzt auch als einzige Spezies ein hoch entwickeltes Bewusstsein.«
»Einverstanden. Aber betrachten Sie diese Entwicklung bitte vor dem Gesamtpanorama der Natur. Erkennen Sie da wirklich einen Fortschritt oder einen herausragenden Trend? 80 Prozent aller Vielzeller erfreuen sich eines weit größeren Evolutionserfolgs als der Mensch, ohne dass sie diesen angeblichen Trend zu höherer Nervenkomplexität ausgebildet hätten. Unsere Ausstattung mit Geist und Bewusstsein ist ein Fortschritt einzig aus unserer subjektiven Weltsicht. Dem Ökosystem Erde hat diese bizarre, unwahrscheinliche Randerscheinung Mensch bisher nur eines eingebracht: einen Haufen Ärger.«
»Ich bin nach wie vor überzeugt, dass Menschen hinter allem stecken«, sagte Vanderbilt am Nebentisch. »Aber gut, ich lasse mich belehren. Wenn es doch keine sind, werden wir eben Yrr-Aufklärungsarbeit betreiben. Wir werden das widerliche Geschleime so lange unter CIA-Beobachtung stellen, bis wir wissen, wie es denkt und was es plant.«
Er stand mit Delaware und Anawak zusammen, umringt von Soldaten und Mannschaftsmitgliedern.
»Vergiss es«, sagte Delaware. »Das schafft nicht mal deine CIA.«
»Pah, Mädchen!«, lachte Vanderbilt. »Du schlüpfst in jeden Schädel, wenn du geduldig bist. Selbst wenn er einem verdammten Einzeller gehört. Alles eine Frage der Zeit.«
»Nein, eine Frage der Objektivität«, sagte Anawak. »Was voraussetzt, dass du in der Lage bist, die Rolle eines objektiven Beobachters einzunehmen.«
»Können wir. Darum sind wir ja intelligent und zivilisiert.«
»Du magst intelligent sein, Jack. Aber du bist nicht in der Lage, die Natur objektiv wahrzunehmen.«
»Genau genommen bist du ebenso subjektiv und unfrei wie ein Tier«, ergänzte Delaware.
»An was für eines hattet ihr denn gedacht?«, kicherte Vanderbilt. »Ein Walross?«
Anawak lachte leise. »Ich meine es ernst, Jack. Wir sind der Natur immer noch näher, als wir glauben.«
»Ich nicht. Ich bin in der Großstadt aufgewachsen. War nie auf dem Land. Mein Vater auch nicht.«
»Spielt keine Rolle«, sagte Delaware. »Ich geb dir ein Beispiel: Schlangen. Sie werden einerseits gefürchtet und zugleich verehrt. Oder Haie, es gibt eine Unzahl von Haigottheiten. Diese emotionale Bindung des Menschen an andere Lebensformen ist angeboren,
Weitere Kostenlose Bücher