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Der Schwarm

Der Schwarm

Titel: Der Schwarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Bewegungen zurückzuerlangen, und sah die beiden kleineren Haie gemeinsam herankommen. Ihre Kiefer schnappten auf und zu. Sie waren der Lichtinsel nun so nahe, dass im ozeanischen Blau ihre natürliche Färbung zu sehen war. Über dem weißlichen Bauch spannte sich ein bronzefarbener Rücken. Zahnfleisch und Racheninneres leuchteten rosaorange wie frisch aufgeschnittenes Lachsfleisch, bestückt mit den charakteristischen dreieckigen Dolchen im Oberkiefer und spitzeren Fangzähnen unten. Fünf hintereinander liegende, stahlharte Reihen, bereit, alles zu zerkleinern, was zwischen sie geriet.
    »Gäärrraaad!«, schrie Frost.
    Bohrmann sah gegen das Licht der Halogenleuchten, wie Frost mit dem freien Greifer auf den Kopf des großen Hammerhais einschlug. Dann plötzlich riss der Hai mit einer einzigen Kopfbewegung den gepanzerten Arm des Exosuit aus der Schulterhalterung und schleuderte ihn von sich. Sauerstoff wirbelte in dicken Blasen aus der Öffnung hervor. Die Kiefer klappten auseinander, schlossen sich um Frosts ungeschützten Arm und bissen ihn unterhalb des Schultergelenks ab.
    Eine Wolke von Blut breitete sich dunkel aus, vermischt mit Blasen. Unglaublich viel Blut, das von den peitschenden Bewegungen des Hais sofort verteilt wurde. Frost schrie keine Worte mehr, nur nochunartikuliert und schrill, dann wurde ein Gurgeln daraus, als das Meerwasser in seinen Anzug schoss und ihn ausfüllte. Das Schreien verstummte. Die kleineren Haie verloren augenblicklich das Interesse an Bohrmann. Was immer sie steuerte, kurzzeitig übernahm der natürliche Fressrausch das Kommando über ihr Verhalten. Sie stürzten sich in den schäumenden Wirbel, verbissen sich im leblosen Körper des Vulkanologen, wirbelten ihn herum und versuchten, die Panzerung zu durchbeißen.
    Auch van Maarten schrie, überlagert von Störgeräuschen.
    Bohrmanns Gedanken überschlugen sich. Er fühlte den lähmenden Schock. Zugleich arbeitete ein Teil seines Verstandes glasklar und sagte ihm, dass er nicht auf die Instinkte der Tiere vertrauen durfte. Ihre Kraft und Fresslust wurden manipuliert. Es ging nicht ums Fressen. Der Instinkt brach sich Bahn, aber dem Zeug, das in ihren Köpfen sitzen musste, war einzig daran gelegen, die Menschen hier unten zu töten.
    Er musste zurück zur Felswand.
    Sein linker Greifer schlug gegen das Tastenfeld der Konsole. Wenn er jetzt den falschen Schalter erwischte, würde er die Programmierung aktivieren, die ihn rauf zur Heerema brachte. Dann wäre er verloren, nachdem das POD-Feld die Haie nicht mehr abhielt. Aber er drückte die richtige Taste. Der Propeller schnurrte los. Hastig bewegte er den Joystick so, dass ihn der Hund von der Lichtinsel weg- und auf die Felswand zuzog. Er spürte die Beschleunigung, doch im Gegensatz zum Abstieg, als ihm der kleine Roboter wendig und schnell vorgekommen war, schien er nun unerträglich langsam dahinzudümpeln.
    Bohrmann schlug mit den Flossen und glitt ins Blaue, der Terrasse entgegen. Es gab nicht viel, was man in einer solchen Situation tun konnte, aber eine der Regeln für Taucher besagte, dass Felsen Rückendeckung gaben. Bohrmann trieb auf die schwarze Lavawand zu. Unmittelbar davor drehte er bei und starrte hoch zur Lichtinsel. Die Blutwolke hatte sich ausgebreitet, zuckende Schwänze und Flossen darin, schäumende Wirbel. Teile von Frosts Anzug sanken herab. Der Anblickwar grauenhaft, aber was ihn wirklich entsetzte, war nicht das Gemetzel selber. Es war die Tatsache, dass nur noch zwei Haie daran beteiligt waren.
    Der große fehlte.
    Lähmende Furcht überkam Bohrmann. Er schaltete den Propeller aus und schaute sich um.
    Der große Hammerhai stieß aus der Sedimentwolke hervor, dasMaul weit gedehnt. Mit atemberaubender Geschwindigkeit glitt er heran. Diesmal setzte Bohrmanns Verstand aus. Er verfing sich in der Frage, ob er den Trackhound wieder einschalten sollte oder nicht, da prallte der keilförmige Kopf auch schon mit Gewalt gegen ihn. Der Aufprall schleuderte Bohrmann gegen die Felswand. Mit hohlem Krachen landete er auf dem Gestein. Der Hai schwamm weiter, beschrieb einen engen Bogen und kehrte im Tempo eines Rennwagens zurück. Bohrmann schrie auf. Die Welt verwandelte sich in einen Abgrund aus Rachen und Zähnen, dann verschwand seine komplette linke Seite in dem klaffenden Maul, von der Schulter bis zur Hüfte.
    Das war's, dachte er.
    Ohne innezuhalten, glitt der Hai über den Hang und schob ihn durchs Wasser. Es rauschte und dröhnte in seinen Kopfhörern.

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