Der Schwarm
der Devilfish schrammte gegen das abtauchende Deck, an dessen Ende sich der Junge klammerte. Er weinte laut. Greywolf hastete, rempelnd und Knüffe verteilend, ins Heck. Im selben Moment hob die Woge das Zodiac empor. Vorhänge aus Schaum bauschten sich über der Reling. Greywolf lehnte sich hinaus und bekam den Jungen zu packen. Die Devilfish schwankte, er verlor das Gleichgewicht und kippte zwischen die Sitzreihen, aber den Jungen hatte er nicht losgelassen. Wie Baumstämme ragten seine Arme in die Höhe. Die prankenartigen Hände waren um die Taille des Jungen geschlossen.
Anawak sah atemlos hinaus.
Wirbel kreisten über der Stelle, wo das Kind noch vor Sekunden in der Reling gehangen hatte. Er sah die Lady Wexham in der Tiefe verschwinden, dann stürzte das Zodiac ins nachfolgende Wellental, und es durchfuhr seinen Magen, als säße er in einer Achterbahn.
Shoemaker gab Vollgas. Es waren lange, gleichmäßige Wogen, die vom Pazifik hereinrollten. Sie konnten der Devilfish, wenngleich das Zodiac hoffnungslos überfüllt war, nicht gefährlich werden, sofern der Skipper jetzt keinen Fehler machte. Aber Shoemaker schien sich seiner besten Tage entsonnen zu haben. Die Panik war aus seinen Augengewichen. Sie schossen einen Wellenkamm hoch und darüber hinaus, fielen und nahmen Kurs auf die Küste.
Anawak sah zurück zur MS Arktik. Das zweite Boot war verschwunden. Zwischen den Wellen sah er eine Fluke abtauchen. Es kam ihm vor, als ob sie zum Abschied höhnisch winkte. Die Fluke eines Buckelwals. Nie wieder würde er das Abtauchen einer Walfluke sehen können, ohne das Schlimmste zu denken.
Im Funkgerät war der Teufel los.
Wenige Minuten später hatten sie den Inselstreifen passiert, der das offene Meer von der Lagune trennte.
Einzig der Umstand, dass ihm nicht auch noch die Devilfish verloren gegangen war, vermochte Davie in diesen Minuten aufzuheitern, nachdem das Zodiac überfüllt wie ein Flüchtlingsschiff am Pier festgemacht hatte. Sie lasen die Namen der Vermissten vor. Einige Leute brachen zusammen. Dann leerte sich Davies Whaling Station ebenso schnell, wie sie sich gefüllt hatte. So ziemlich jeder litt an Unterkühlung, also ließen sich die meisten von Freunden und Angehörigen zur nahe gelegenen Ambulanz bringen. Andere hatten sich ernsthafte Verletzungen zugezogen, aber wann ein Helikopter für den Transport ins Krankenhaus nach Victoria bereitstehen würde, war nicht abzusehen. Unverändert beherrschten Schreckensmeldungen den Funkverkehr.
Davie hatte sich unangenehme Fragen gefallen lassen müssen, Beschuldigungen, Verdächtigungen und schlicht das Androhen von Prügeln, sollten die gebuchten Passagiere nicht unversehrt zurückkehren. Zwischendurch war Roddy Walker, Stringers Freund, aufgetaucht und hatte herumgeschrien, sie würden von seinen Anwälten hören. Niemanden schien sonderlich zu interessieren, wer die Schuld an den Vorgängen trug. Erstaunlicherweise wurde die einfachste Erklärung von kaum jemandem akzeptiert: dass die Wale unmotiviert angegriffen hatten. Wale taten so etwas nicht. Wale waren friedlich. Wale waren die besseren Menschen. Gesunde Halbbildung brach sich Bahn und brachte die Touristen in Tofino gegen die Whale Watcher auf, als hätten sie die Passagiere der Blue Shark und der Lady Wexham eigenhändig abgemurkst: Idioten, die unnötige Risiken eingegangen und mit altersschwachen Schiffen hinausgefahren waren. Tatsächlich hatte die Lady Wexham eine ganze Reihe von Jahren auf dem Buckel gehabt, was ihrer Seetauglichkeit posthum nicht im Mindesten Abbruch tat. Aber davon wollte augenblicklich niemand etwas hören.
Wenigstens hatte man die Besatzung und den größten Teil derPassagiere heimgebracht. Viele Menschen hatten sich spontan bei Shoemaker und Anawak bedankt, aber als eigentlicher Held wurde Greywolf gefeiert. Er war überall gleichzeitig, redete, hörte zu, organisierte und bot an, mit in die Ambulanz zu fahren. Er gerierte sich als Gutmensch, dass Anawak vom Hinsehen schlecht wurde: eine zu zwei Meter Körpergröße mutierte Mutter Teresa.
Anawak fluchte. Er musste sich um andere Dinge kümmern und spürte, wie ihm die Situation entglitt.
Natürlich hatte Greywolf sein Leben riskiert. Natürlich hätten sie ihm danken müssen. Auf Knien sogar. Aber Anawak verspürte nicht die mindeste Lust dazu. Dieser plötzliche Ausbruch von Altruismus war ihm zutiefst suspekt. Greywolfs Einsatz für die Menschen auf der Lady Wexham, dessen war Anawak sich sicher,
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