Der Schwarm
Institut?«
»Nein, ins Statoil-Forschungszentrum. Wir haben die Projektleitung zu Besuch. Aus Stavanger.«
»Was soll ich dabei? Denen die Gruselgeschichten erzählen?«
»Das hab ich selber schon getan. Jetzt sind sie scharf auf Einzelheiten. Ich habe vorgeschlagen, dass du sie ihnen lieferst.«
»Warum ausgerechnet ich?«
»Warum denn nicht?«
»Ihr habt doch Gutachten vorliegen«, sagte Johanson. »Stapelweise. Ich kann auch nur das weitergeben, was andere herausfinden.«
»Du kannst mehr«, sagte Lund. »Du kannst ... deinen Gefühlen Ausdruck verleihen.«
Johanson war einen Augenblick sprachlos.
»Sie wissen, dass du kein Experte für Ölbohrungen bist und ebenso wenig ein wirklicher Spezialist für Würmer oder so was«, fuhr sie hastig fort. »Aber du genießt einen ausgezeichneten Ruf an der NTNU,du bist neutral und nicht vorbelastet wie wir. Wir urteilen nun mal aus anderen Blickwinkeln.«
»Ihr urteilt aus dem Blickwinkel der Machbarkeit.«
»Nicht nur! Schau mal, es ist so, dass bei Statoil ein Haufen Leute zusammensitzt, von denen jeder etwas ganz Bestimmtes am besten kann, und ....«
»Fachidioten eben.«
»Überhaupt nicht!« Sie klang verärgert. »Mit Fachidioten ist dieses Geschäft nicht zu machen. Hier steckt nur jeder zu tief drin. Wir hängen alle mit dem Kopf unter Wasser, mein Gott, wie soll ich es ausdrücken ... Wir brauchen eben mehr Meinungen von außen.«
»Ich verstehe nicht viel von eurem Geschäft.«
»Natürlich zwingt dich keiner.« Lund klang allmählich gereizt. »Du kannst es auch bleiben lassen.«
Johanson verdrehte die Augen. »Schon gut. Ich habe nicht vor, dich hängen zu lassen. Es gibt tatsächlich ein paar Neuigkeiten aus Kiel und ....«
»Kann ich das als Ja verbuchen?«
»Ja. In Herrgotts Namen. Wann findet dieses Treffen statt?«
»Es gibt mehrere Treffen in nächster Zeit. Eigentlich hängen wir ständig zusammen.«
»Na schön. Es ist Freitag. Übers Wochenende bin ich weg, und Montag könnte ich ...«
»Das ist...« Sie stockte. »Das wäre eigentlich ...«
»Ja?«, sagte Johanson gedehnt, von bösen Vorahnungen geplagt.
Sie ließ einige Sekunden verstreichen.
»Was hast du überhaupt vor am Wochenende?«, fragte sie im Plauderton. »Willst du zum See?«
»Klug erkannt. Willst du mit?«
Sie lachte. »Warum nicht?«
»Hoho! Und was sagt Kare dazu?«
»Mir doch egal. Was soll er dazu sagen?« Sie schwieg eine Sekunde. »Ach verdammt!«
»Wärest du doch nur in allem so gut wie in deinem Job«, sagte Johanson so leise, dass er nicht sicher war, ob sie es verstanden hatte.
»Sigur, bitte! Kannst du deinen Ausflug nicht verschieben? Wir treffen uns in zwei Stunden, und ich dachte ... es ist ja nicht weit von hier, und es dauert auch nicht lange. Du bist im Nu wieder draußen. Du kannst heute Abend noch losfahren.«
»Ich ....«
»Wir müssen einfach weiterkommen in der Sache. Wir haben einen Zeitplan, und du weißt, was das alles kostet, und jetzt gibt es schon die ersten Verzögerungen, bloß weil...«
»Ich mach's ja!«
»Du bist ein Schatz.«
»Soll ich dich abholen?«
»Nein, ich werde dort sein. Oh, ich freue mich. Danke! Das ist wirklich lieb von dir.« Sie legte auf.
Johanson betrachtete wehmütig seinen gepackten Koffer.
Als er den großen Konferenzraum des Statoil-Forschungszentrums betrat, war die angespannte Stimmung mit Händen zu greifen. Lund saß in Begleitung dreier Männer an einem schwarz polierten Tisch von ausladenden Dimensionen. Späte Nachmittagssonne fiel herein und verlieh dem in Glas, Stahl und dunklen Tönen gehaltenen Interieur etwas Wärme. Die Wände waren mit hochkopierten Diagrammen und technischen Zeichnungen regelrecht tapeziert.
»Hier ist er«, sagte die Dame vom Empfang und lieferte Johanson ab, als sei er ein Weihnachtspaket. Einer der Männer stand auf und kam ihm mit ausgestreckter Hand entgegen. Er hatte kurz geschnittenes, schwarzes Haar und trug eine modische Brille.
»Thor Hvistendahl, Stellvertretender Direktor des Statoil-Forschungszentrums«, stellte er sich vor. »Entschuldigen Sie, dass wir so kurzfristig Ihre Zeit beanspruchen, aber Frau Lund versicherte uns, Sie hätten nichts Besseres vor.«
Johanson widmete Lund einen unmissverständlichen Blick und schüttelte die dargebotene Rechte.
»Ich hatte in der Tat nichts vor«, sagte er.
Lund grinste in sich hinein. Sie stellte ihm die Männer nacheinander vor. Wie Johanson es erwartet hatte, war einer davon aus der
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