Der schwarze Atem Gottes
Es passte mit seinen schrecklichen Deformierungen exakt in die Ausbuchtungen des polierten, im blauen Licht der Fackeln glänzenden Holzes. Stolz saß es da, mit emporgerecktem Kopf.
Was für ein Kopf! Es war der Kopf eines Ziegenbocks, aber gleichzeitig auch der Kopf eines Menschen – viel zu groß für jeden Menschen und viel zu schrecklich. Aus den Schläfen sprossen zwei gedrehte Hörner, die an einen Widder erinnerten. Sein unförmiger Körper, dessen Auswüchse ein voneinander unabhängiges Leben zu führen schienen, steckte in einer schwarzen Robe, die einem priesterlichen Talar nicht unähnlich sah.
Inzwischen hatten sich die Teilnehmer des Sabbats um den Thron geschart, und der Succubus hatte Martin und Maria in die Mitte der Versammlung geschleift. Alle schwiegen; es war, als warteten sie darauf, dass das entsetzliche Wesen auf dem Thron etwas sagte. Doch es blieb stumm. Es hielt den Kopf etwas schief und streckte den grotesk langen und dürren Hals leicht vor. Dann stülpte einer seiner beulenartigen Auswüchse den Talar knapp unterhalb des Halses aus, wurde biegsam und dünn und wies verhüllt auf den Mönch und das Mädchen.
»Ein Opfer für dich, o göttliche Hoheit«, sagte Graf Albert und grinste die beiden hämisch an. »Sie gehörten zu dem Pater, der deinem Statthalter auf Erden das Leben und die Macht ermöglichen wird.« Die blau brennenden Fackeln schienen Flammen in seinen Bart zu werfen.
Das Wesen sagte auch darauf nichts, aber es nickte zweimal kurz hintereinander. Die Versammlung brach in Jubel aus. Ihre Stimmen klangen seltsam gedämpft. Erst jetzt erkannte Martin, dass sie allesamt Masken trugen. Mit dunklen Farben bemalte Masken aus Holz.
Der Kreis um den Mönch und das Mädchen weitete sich. Graf Albert trat auf die beiden zu. »Ich freue mich, dass wir uns wiedersehen, mein kleiner Schauspieler«, sagte er zu Martin. »Glaube nicht, dass ich dich nicht erkannt hätte, als du bei mir auf Burg Grafenreuth vorgesprochen hast. Es war ein Heidenspaß für mich, wie du so verzweifelt versucht hast, den Pater zu entführen. Doch du hast die Rechnung ohne Federlin und mich gemacht, nicht wahr? Inzwischen hat dein gauklerischer Freund den zweiten Kopf des Paters dem Leben geöffnet, und nichts kann uns mehr aufhalten, der Welt das Böse einzuhauchen.«
Martin war zernichtet. Alles war umsonst gewesen.
Er hatte mit seinem guten Willen nur dem Bösen in die Hand gespielt.
Er wollte etwas sagen, doch er brachte kein Wort heraus. Noch immer hielt er Maria umarmt und spürte ihren zitternden, nackten, schweißfeuchten Körper auf seiner Haut. Er konnte sie nicht mehr loslassen. Er konnte gar nichts mehr tun. Nur seine Augen hatten ihre Freiheit behauptet. In Marias Blick sah er, dass es ihr genauso erging.
Graf Albert sagte: »Es wird eure letzte Nacht sein, und für euch wird sie ewig dauern. Doch zuvor wollen wir unseren Sabbat abhalten. Für dich, mein lieber Martin, Gehilfe des heiligmäßigen Hexenschnüfflers Hilarius, wird es eine ganz besondere Freude sein, das, was du bisher nur aus der Theorie kennst, nun in der Praxis mitverfolgen zu dürfen. Es tut mir leid, dass unser Herr und Meister euch den freien Willen geraubt hat, aber ihr werdet einsehen, dass es notwendig war.« Er wandte sich wieder dem Wesen auf dem Thron zu und sagte: »Heute Nacht wirst du eine neue Anbeterin erhalten.«
Das Wesen nickte einmal.
Dann sagte der Graf in die Menge der Maskierten: »Barbara Längin, tritt hervor.«
Von den Herumstehenden löste sich eine Frau mit einer Schielmaske, die sie sich mit einer Kordel vor das Gesicht gebunden hatte. Sie kam mit unsicheren Schritten auf den Grafen zu.
»Nimm deine Maske ab.«
Sie gehorchte ihm.
Martin hatte sie mit einer gewissen Neugier beobachtet. Ihre Bewegungen hatten schrecklich linkisch gewirkt. Wie mochte eine Frau aussehen, die sich aus freiem Willen dem Bösen unterwarf? Als sie die Maske abnahm, kam darunter ein enttäuschend gewöhnliches Gesicht zutage. Sie hatte viele Sommersprossen, und ihre Nase war kurz und etwas nach oben gedreht, was ihr ein übermütiges Aussehen verlieh. Doch ihre Augen widersprachen dieser Einschätzung; sie waren sanft und kummervoll. Dieses Mädchen, das kaum achtzehn Jahre alt zu sein schien, hatte nur wenig vom Leben gesehen, aber das, was sie gesehen hatte, war nicht nach ihrem Geschmack gewesen. Martin las die Verzweiflung in ihrem Blick. Beinahe konnte
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