Der schwarze Atem Gottes
spiegelten sich der Mond und das Licht der Fackeln; andere waren wie schwarze Löcher in der Nacht. Die Musik wurde lauter, wilder, rasender. Der Reigen drehte sich mit wahnsinniger Geschwindigkeit. Dann brach die Musik plötzlich ab. Die Tänzer blieben wie erfroren in dem blauen und weißen Licht stehen. Etwa eine Minute lang geschah nichts. Dann floss das Leben zurück in die Feiernden. Martin hörte, wie einige aufkeuchten. Kleider wurden zerfetzt, Hosen abgestreift, schwellende Glieder an prallen Brüsten gerieben, und hier und da fiel eine Maske herunter. Manchmal sah Martin das Gesicht einer alten Frau, manchmal das einer jungen, manchmal das eines Mannes, doch einige der Gesichter, die in den flackernden Flammen badeten, waren eindeutig nicht menschlich.
Schreie. Lustschreie, aber auch Schmerzensschreie. Er konnte den Blick nicht abwenden. Die Orgie, der schändlichste Teil des Sabbats. Wie hatte er in früheren Zeiten Martins Phantasie beflügelt, doch jetzt, da er diesem Treiben zusehen musste, empfand er es nicht länger als anregend. Er versuchte noch einmal, seinen Geist mit Gebeten gegen diese Dinge zu verschließen, aber es fielen ihm nur unsinnige Bruchstücke ein.
Dann sah er, wie die Dämonin auf ihn zukam. Sie zog das neu in die Hexensekte aufgenommene Mädchen hinter sich her, das nun auf den Namen »Ziegenbärtin« hörte. Das Mädchen hatte offenbar Angst, aber sie war nicht vollkommen unwillig. Sie und der Succubus waren nackt. Die Dämonin legte das Mädchen neben Martin mit dem Rücken auf die Tischplatte, spreizte ihr die Beine und steckte ihr den Kopf zwischen die Schenkel. Martin sah, wie das Mädchen sich zu winden begann und spitze Schreie ausstieß. Sie drückte den Kopf der Frau immer fester gegen ihren Schoß. Dann aber machte sich die Frau frei und stellte sich zwischen die Beine der Novizin. Zu Martin gewandt sagte sie: »Schau hin. Ich werde ihr nun deinen Samen geben. Obwohl dein Leben heute endet, wird etwas von dir weiterleben, auch wenn es gewisse Veränderungen erfahren wird.«
Martin riss die Augen auf. Die schweren Brüste der Frau trockneten aus, wurden schlaff, verschrumpelten, verkrochen sich in ihren Brustkorb. Gleichzeitig verschlankte sich ihre Hüfte, und aus ihrem Schamhaar wuchs plötzlich eine mächtige, in einem flachen Bogen aufwärtsgerichtete Rute. Bartstoppel sprossen aus dem Kinn des Succubus; sein Kinn und seine Wangen wurden härter und kantiger; nur seine bernsteinfarbenen Augen blieben dieselben.
Martin hatte die Verwandlung eines Succubus in einen Incubus mitangesehen.
Der Incubus drang sanft in das Mädchen ein. Sie kreuzte die Beine hinter seinem Rücken und zerkratzte ihm in ihrer unbändigen Lust die breite Brust. Es dauerte nicht lange, und der Incubus stöhnte auf, warf den Kopf zurück und verkrallte sich in den weit geöffneten Schenkeln des Mädchens. Martin wusste, was nun geschah. Er gab den Samen, den er von Martin empfangen hatte, an dieses Mädchen weiter. Dann zog er sich aus ihr zurück und stürzte sich in das Getümmel abseits der langen Tafel, das noch längst nicht seinen Höhepunkt erreicht hatte. Das Mädchen blieb einige Zeit auf der Tischplatte liegen; dann ging es mit leicht wankenden Schritten auf die ineinander verschlungenen Leiber zu, die im bizarren blauen Licht der Fackeln einen neuen, noch irrsinnigeren Tanz aufzuführen schienen.
Das Ungeheuer auf dem Thron hatte sich noch immer nicht gerührt.
Der Mond war schon hinter den Wipfeln verschwunden, als die Bewegungen der Sabbatteilnehmer endlich langsamer wurden; es war kaum mehr Keuchen und Stöhnen zu hören, und schließlich lagen sie ermattet in dem taufeuchten Gras. Noch immer saßen Martin und Maria wie festgeklebt auf ihren harten Stühlen. Das Opfer. Nun würde das Opfer erfolgen. Und sie konnten nichts dagegen tun. Gebet! Ein Gebet! Der Name des Allmächtigen, der den Autoritäten zufolge eine solche Versammlung auflösen konnte! Martin versuchte, Gott laut anzurufen. Bildete er es sich nur ein, oder konnte er tatsächlich den Mund ein wenig bewegen? Mit schier übermenschlicher Willensanstrengung gelang es ihm tatsächlich, die Lippen voneinander zu lösen. Eine Welle des Glücksgefühls durchströmte ihn. War der Bann gelockert? Er kämpfte um die Kontrolle über jeden einzelnen Muskel. »Aaah!« Er konnte sich selbst hören!
Herr und Gott, hilf mir weiter, hilf mir im Kampf gegen das Böse!
Er spürte, wie sein Kiefer
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