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Der schwarze Atem Gottes

Der schwarze Atem Gottes

Titel: Der schwarze Atem Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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er die vielen Kerzen riechen, die sie zu Ehren Jesu Christi und der Gottesmutter gespendet und angezündet hatte, und er konnte die vielen Gebete hören, die sie in die tauben Ohren ihres Gottes gemurmelt hatte – bis Glaube und Mut sie verlassen hatten und sie einen anderen Weg suchte. Jener Weg hatte sie heute Nacht auf diese kahle Lichtung inmitten des Bergwaldes geführt – in das Zentrum des Bösen.
     
    Graf Albert legte den Arm um sie wie ein liebender Vater. Sie sah hoffnungsvoll zu ihm auf. Er sagte: »Und nun, mein Kind, musst du deinem alten, falschen Glauben abschwören.«
     
    Sie antwortete darauf mit einer hellen, piepsigen Stimme: »Ich sage Jesus Christus, dem Heiligen Geist, Gott Vater, der Gottesmutter und allen Heiligen ab.« Es klang, als habe sie es unter großen Mühen auswendig gelernt.
     
    »Sehr gut.« Der Graf grinste breit. »Nun schreiten wir zur neuen Taufe.« Er knöpfte sich die Hose auf und befahl dem verschüchterten Mädchen: »Knie dich vor mich und beuge den Kopf ganz tief.«
     
    Sie gehorchte und hielt den Kopf so tief, dass sie beinahe die Spitzen seiner edlen Stiefel küsste.
     
    Dann pinkelte er auf sie. »Hiermit taufe ich dich im neuen Geiste.«
     
    Er schien Mitleid mit ihr zu haben, denn der Strahl war nur kurz. »Erhebe dich wieder!«
     
    Sie stand auf. Der Urin lief ihr an den Ohren vorbei und über die Wangen. Sie wagte nicht, ihn fortzuwischen. In ihrem Gesicht standen schreckliche Zweifel eingeschrieben. Sie sah ihn an.
     
    »Nun erhältst du deinen neuen Namen. Dein alter Name ist mit der neuen Taufe von dir abgewaschen worden. Dein neuer Name lautet Ziegenbärtin.«
     
    Sie schlug die Augen nieder und nickte.
     
    Am liebsten wäre Martin dazwischengegangen und hätte diesen schändlichen Grafen mit den bloßen Händen erwürgt! Aber er konnte nicht einmal die Augenlider bewegen. Noch immer hielt er Maria im Arm, doch er stellte erstaunt fest, dass er sie nicht mehr spürte. Er spürte überhaupt nichts mehr. Nur seine Gefühle waren noch lebendig. Und seine Gefühle glichen einem Höllenofen.
     
    »Nun musst du deinem neuen Herrn und Meister den Treueid schwören.«
     
    Und sie schwor, dass sie ihren neuen Herrn und Meister immer lieben, ihm immer treu und ergeben sein und alle ihre zukünftigen Schandtaten ihm weihen werde.
     
    »Beweise, dass du ihn liebst. Küsse ihn!«
     
    Eine Bewegung lief durch das unförmige Monstrum auf dem Thron. Zuerst begriff Martin nicht, was es da tat, doch dann erkannte er, dass es sich unter großen Mühen umdrehte, sodass seine Rückseite den stumm und starr dastehenden Gläubigen zugewandt war. Der Graf ging furchtlos an das Ungetüm heran und hob den Talar dort hoch, wo sich der Hintern der Abnormität befinden musste. Martin konnte von seiner Position aus nicht sehen, was sich unter dem Talar befand, aber er sah die Reaktion des Mädchens: ungläubiges Entsetzen und unbeschreiblicher Ekel.
     
    Der Graf streckte die Hand aus und zog das Mädchen heran. Martin hörte ihr nur schlecht unterdrücktes Würgen. Ihr Kopf verschwand unter dem hochgehaltenen Talar, und dann hörte er, wie das Mädchen – Ziegenbärtin – sich klatschend und platschend übergab. Als sie wieder unter dem Gewand hervorkam, troffen ihr noch Schleimfäden aus dem Mund. Sie war so bleich wie der Mond, der nun unmittelbar über dem Sabbattreiben stand und sein Blutrot des früheren Abends verloren hatte.
     
    »Nun steht nur noch eines aus«, sagte der Graf ungerührt. »Zum Zeichen der Zugehörigkeit zu deinem neuen Meister wird er dir sein Zeichen übergeben. Zieh dein Kleid aus.«
     
    Sie zog es sich über den Kopf, auch das Hemd, und stand dann mit ihren kleinen, keck nach oben schielenden Brüsten abwartend da. Ihr Blick war leer; ihre Schultern hingen nach vorn. So hatte sie sich das triumphierende Böse wohl nicht vorgestellt, dachte Martin. Als sie auch den Rock ausziehen wollte, sagte der Graf: »Das reicht. Bewege dich nicht.«
     
    Ein Zischen ertönte; es schien irgendwo aus dem unförmigen Koloss auf dem Thron zu kommen, der sich inzwischen wieder mit dem Gesicht nach vorn gesetzt hatte. Dort, wo vielleicht sein Schoß war, hob sich das Gewand leicht, und etwas wie eine Schlange kroch daraus hervor. Die Augen des Mädchens wurden groß vor Angst, aber sie rührte sich nicht.
Ob sie genauso gefesselt ist wie wir?,
fragte sich Martin. Er versuchte zu beten. Die Worte wollten sich in seinen Gedanken kaum formen; nur mit Mühe brachte

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