Der schwarze Atem Gottes
kratzte sich, aber es ließ nicht nach. Im Gegenteil, es wurde immer stärker, und vom Oberkörper breitete es sich auf alle Regionen seines Leibes aus, die er eingeschmiert hatte. Es war unerträglich! Er starrte den Succubus erschrocken an. »Was hast du mit uns gemacht?« Aus den Augenwinkeln heraus sah er, dass auch Maria sich kratzte.
»Keine Angst, es ist völlig harmlos. Die Salbe besteht lediglich aus einigen Kräutern und anderen Gewächsen. Aus Schierling, Mandragora, Nachtschatten, Bilsenkraut, wenn du es genau wissen willst. Und noch aus ein paar anderen natürlichen Zutaten, die ich dir aber nicht verraten werde.« Sie klatschte in die Hände, und die Tür öffnete sich von außen. Vor ihr standen die beiden Dienerinnen; sie hielten drei Ziegenböcke an Hanfseilen fest. Die Tiere meckerten freudig und erregt und trippelten auf der Stelle.
»Führt sie herein«, befahl die Frau. Die Dienerinnen betraten mit den Tieren das enge Verlies, das nun fast völlig ausgefüllt war. Martin roch den strengen Duft der Tiere. Sie widerten ihn an. Symbole des Teufels. Er hasste sie. Hasste ihre längsgeschlitzten Augen, ihre lächerlichen Spitzbärte, ihr hartes Gehörn. Hasste ihren übermäßigen Geschlechtsdrang, ihre spöttischen Laute, ihre grinsenden Mäuler. Er sah, wie auch Maria vor diesen Tieren zurückwich.
»Sie tun euch nichts«, beruhigte die Frau sie. »Sie sind vollkommen harmlos. Sie werden uns nur als Reittiere dienen.«
Als sie dies sagte, traf Martin die Erkenntnis wie ein Hammerschlag. Nun wusste er, was dieses abscheuliche Wesen mit ihnen vorhatte. Und er begriff auch die gaukelnde Vorfreude in ihrem Blick.
Sie würden durch die Luft reiten.
Um am Hexensabbat teilzunehmen, irgendwo in einer weit entfernten, einsamen Waldgegend.
Wie oft hatte er Hilarius von diesen blasphemischen Hexensabbatten reden hören; wie oft hatte Hilarius schon von den Hexen Berichte über diese entsetzlichen Zusammenkünfte erhalten, die er dann seinem jungen, unerfahrenen Gesellen zu Lehrzwecken weitergegeben hatte. Und Martin hatte in den Schriften eines Bodinus oder Remigius mit eigenen Augen gelesen, was sich bei diesen Sabbatten alles ereignete. Ihm drehte sich der Magen um, wenn er daran dachte, dass er nun bald höchstselbst eine solche abscheuliche, teuflische Höllenfeier mitansehen musste.
Doch ein winziger Teil ihn ihm, ganz tief verborgen unter all den schweren Grabplatten der Scholastik und Dogmatik, wisperte etwas von Erregung, von Spannung, von Wissbegierde. Und diese Stimme ängstigte ihn mehr als der Succubus, der sich nun anschickte, einem der Böcke auf den Rücken zu steigen. Martin folgte ihrem Beispiel, und auch Maria saß zögernd auf. Sie erhielten von den Dienerinnen die Hanfseile, an denen sie sich festhalten konnten, und dann …
Sie befanden sich nicht mehr in dem engen, kalten und stinkenden Verlies. Kalt war es zwar immer noch, aber diese Kälte rührte vom eisigen Wind her, der Martin geradewegs ins Gesicht blies. Als er um sich blickte, wäre er beinahe vom Rücken seines Bocks gerutscht. Im letzten Augenblick konnte er sich noch an dem Strick festhalten und duckte sich eng an das Tier, das wie eine Kanonenkugel durch die Lüfte sauste.
In geringer Entfernung vor sich sah er den wie die Schwingen einer Fledermaus flatternden Mantel des Succubus, und rechts neben ihm klammerte sich Maria an das Fell ihres Reittiers. Sie hatte die Augen geschlossen. Martin beneidete sie. Ihm war es unmöglich, nicht hinzusehen.
Der Mond hing rot und fett im Firmament, und die blitzenden Sterne waren sein Geschmeide. Keine Wolke schob sich vor die Tiefe der Unendlichkeit. Martin war es geradezu, als falle er den Sternen entgegen. Doch unter sich sah er die Schatten der Welt, die ihm einmal vertraut gewesen war. Er erkannte ausgedehnte schwarze Wälder und hellere Flecken dazwischen, die nur Getreidefelder sein konnten. Hier oben aber waren sie nichts mehr als Flächen mit unregelmäßigem Umriss, wie eine Landkarte, die man nach Belieben auf und zurollen konnte. Die Wirklichkeit der Erde war zu einer reinen Zweidimensionalität geronnen.
Manchmal durchbrach ein flackerndes rotes Licht die Flächen wie das einzelne Auge eines in den Nachthimmel hochstarrenden Tieres. Vielleicht kamen diese Lichter aus Gehöften oder von einsamen nächtlichen Wanderern. Einmal sah Martin in der Ferne eine kleine Stadt, deren Türme machtlos in den Himmel stachen. Auch
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