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Der schwarze Ballon

Der schwarze Ballon

Titel: Der schwarze Ballon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valerie Frankel
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vielleicht später draußen noch gebraucht werden.

    Dienstag, 22. Oktober, 13.00 Uhr. Der letzte Tag meiner einwöchigen Killersuche — nur noch elf Stunden bis zur Deadline. Alex und ich teilten uns eine Kanne Kaffee (wenn es je einen Tag gegeben hatte, an dem ich einen brauchte, dann heute) in der Agentur, und ich erzählte ihm, was Johann und Cosmos passiert war. Er hatte die Nacht damit verbracht, sich von den Bullen hinhalten zu lassen. Keiner wollte zugeben, daß Johann auf freiem Fuß war. Es war kühler, als es den ganzen Monat über gewesen war. Meine Haare kräuselten sich. Der heiße Spätsommer wich endlich dem Herbst, und ich war froh darüber. Ich goß mir zum dritten Mal den Becher voll. Alex sagte: »Mein Gott, Wanda, jetzt hör’ mal langsam auf.« Von Martha gab’s immer noch kein Lebenszeichen.
    Herb rief an. Cheryl war nicht zur Arbeit erschienen und hatte sich auch nicht krankgemeldet. Er hatte versucht, sie zu Hause zu erreichen, aber ihr Anrufbeantworter war angestellt. Ich vermutete, daß sie da war, aber zuviel Angst hatte, das Haus zu verlassen oder ans Telefon zu gehen. Ich sagte Herb, er solle cool bleiben, und legte auf.
    Als nächstes rief Santina an. Sie hatte wichtige Nachrichten und wollte rüberkommen. Ich sagte ihr, es ging nicht, wir hätten zu tun. Sie sagte: »Super, ich bin in ein paar Stunden da.«
    Als nächstes rief Gladman an. Er wollte wissen, ob ich Martha gefunden hätte. Ich sagte, nein, hätte ich nicht. Er bat mich, es weiter zu versuchen.
    Ich steckte mir meine erste Zigarette an diesem Tag an.
    Nachdem Alex und ich uns ein paar Stunden lang vergeblich den Kopf darüber zerbrochen hatten, wer der wollüstige Poet sein könnte, schlug ich vor, daß er was zum Essen holen ging, während ich schnell was erledigen würde. Er sah mich verständnislos an, so, als wolle er fragen, wieso ich Zeit für irgendwelche unwichtigen Gänge verschwenden könnte, wo wir doch nur noch ein paar Stunden Zeit hätten, zumal wir keinen Schritt weitergekommen waren. Ich hatte natürlich nicht wirklich vor, meine Wäsche von der Reinigung abzuholen. Aber Alex brauchte ja nicht alles zu wissen.
    Ich nahm einen Bus Richtung Downtown. Wie die Dinge lagen, konnte es gut möglich sein, daß Do It Right binnen acht Stunden pleite war. Zwar hatte ich die halbe Million noch nicht abgeschrieben und war dazu auch nicht bereit, solange noch ein Tropfen Detektivblut in meinem Körper schwamm, aber ich wollte mein Sicherheitsnetz noch mal absichern. Selbst eine 500-Dollar-Nutte macht es an einem Regentag schon mal für fünfzig.
    Der Bus hielt an der 14. Straße Ost, Shinola- Territorium. Ich machte einen kurzen Abstecher über den Bauernmarkt im Union Square Park und kaufte mir einen Mackintosh-Apfel für unterwegs. Skip Giddys Büro ist im zwanzigsten Stock des Paragon Building auf der 16. Straße Ost. Ich wuschelte mir im Aufzug die Haare auf und legte mir auf dem Weg durch den Gang zum Shinola noch schnell frischen Lippenstift auf. Im Redaktionsbüro herrscht gewöhnlich hektischer Betrieb — Textredakteure keifen mit Bildreportern rum, und Redaktionsassistenten wimmeln hysterische Autoren ab, die zum x-tenmal ihren Honorarscheck anmahnen. Aber an diesem Abend war kein Mensch da. Mir fiel siedendheiß ein, daß ASME-Vortragswoche war. Cheryl hätte am Abend zuvor sprechen sollen. Der Herausgeber von Shinola hatte wahrscheinlich an diesem Dienstag die Ehre, und die treuen Angestellten mußten mitgegangen sein, um der Stimme ihres Herrn zu lauschen. Ich ging am Empfangstisch vorbei, starrte einen Moment auf die Lämpchen auf der Schalttafel der Telefonvermittlung und beschloß, Skip eine schmutzige kleine Nachricht zu hinterlassen. Das würde ihm gefallen. Ich setzte mich an den Telefontisch und schrieb ihm rasch einen zweideutigen, aber doch diskreten Brief. Ich faltete ihn dreifach und (eklig, ich weiß) versiegelte ihn mit einem Kuß. Ich war auf halbem Wege zurück zu Skips Büro, als ich plötzlich Lilien roch. Mein unbestechlicher Geruchssinn signalisierte mir, daß Ärger in der Luft lag. Ich drückte Skips Tür vorsichtig einen Spaltbreit auf und sah die beiden. Splitterfasernackt. Ginger lag mit gespreizten Schenkeln auf Skips Schreibtisch. Skip hing über ihr wie Spiderman. Mit einer Reflexbewegung sprang ich zurück. Ich lehnte mich gegen den Schreibtisch von Skips Assistentin im Hauptraum. Dann kam mir der Gedanke, daß ich mich vielleicht verguckt haben könnte. Ich sah erneut hin.

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