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Der schwarze Ballon

Der schwarze Ballon

Titel: Der schwarze Ballon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valerie Frankel
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gerne, aber kein Mensch weiß, wo sie steckt.« Johanns blaue Augen wurden groß. Er wußte es also auch nicht. Ich sagte: »Sie ist seit heute morgen verschwunden. Ist zum Lunch los und nicht mehr wiedergekommen.«
    »Wir müssen sie finden«, sagte er. Seine Stimme klang besorgt. Er schien das Gefühl zu haben, daß es Grund gab, sich Sorgen um sie zu machen.
    »Der Überfall Donnerstag abend war also echt.«
    »Natürlich war er echt!« fauchte er. »Warum sollten wir uns so was ausdenken?«
    Es gab einen ganzen Haufen Gründe, warum, aber ich ließ es so stehen. Ich sagte langsam: »Sobald wir hier fertig sind, gehen wir sie suchen, okay?« Er atmete einmal tief durch und sagte: »Okay.« Cosmos hatte aufgehört, mit dem Stuhl zu ringen, und beobachtete uns scharf. Ich glaube nicht, daß er viel von dem mitkriegte, was wir sagten.
    »Warum hat Martha nichts dagegen, daß du mit anderen Frauen schläfst?« fragte ich.
    »Es ist nicht so, daß sie nichts dagegen hätte. Es ist eine physische Notwendigkeit. Ich brauche fünfmal am Tag Sex.«
    »Jetzt gib nicht so an, Johann.«
    »Ich wünschte, es wäre wirklich bloß Angeberei. Ich leide an einer Krankheit, die sich Semenintasis nennt. Ich bin allergisch gegen meinen eigenen Samen. Mein Körper produziert jeden Tag eine bestimmte Menge, und ich muß ihn aus meinem Organismus ausscheiden, sonst bekomme ich epilepsieähnliche Anfälle. Wenn ich es nicht tue — oder nicht kann — sterbe ich. Die einzige Heilungsmöglichkeit wäre Kastration. Und das will ich nicht. Vor ungefähr zehn Jahren gab es schon einmal einen bekanntgewordenen Fall von Semenintasis hier in den USA. Ein Arzt in New York befaßt sich seit dieser Zeit intensiv mit dieser Krankheit. Er ist der einzige, der bisher überhaupt irgendwelche Erkenntnisse gewonnen hat. Ich kam hierher, um ihn kennenzulernen und mich ihm für medizinische Experimente zur Verfügung zu stellen. Deshalb war ich auch in Stockholm auf einer amerikanischen Schule — meine Eltern wußten, daß die einzige Hoffnung für mich hier in New York ist, bei Dr. Martin. Aber wir hatten bisher noch kein Glück. Jetzt weißt du, warum ich mich vor der Polizei verstecke. Ich hab’ nichts mit dem Mord zu tun — ich bin unschuldig, und das wird sich zeigen. Aber wenn ich in den Knast gesteckt werde, bin ich spätestens nach einem Tag tot.« Er fügte mit bitterem Sarkasmus hinzu: »Ich bezweifle, daß die Polizei mir alle paar Stunden eine Frau in die Zelle schicken würde.«
    Ich erinnerte mich, wie Deb mir erzählt hatte, daß sie ihm einmal fünfmal in einer Nacht einen runtergeholt hatte. »Könntest du nicht masturbieren?« fragte ich.
    Er sagte: »Ich krieg’ von alleine keinen mehr hoch. Und glaub’ mir, ich hab’s versucht.«
    »Und was war an dem Abend, als wir uns in der Orchid Lounge getroffen haben?«
    »Das war Marthas Idee. Nachdem Belle tot war, hat Martha versucht, es alleine zu schaffen. Es ging zwei oder drei Tage gut, dann konnte sie nicht mehr. Aber weil sie trotzdem nicht wollte, daß ich mich alleine mit anderen Frauen traf, schlug sie einen flotten Dreier vor. Wir nahmen uns vor, es in der Orchid Lounge zu probieren. Und da sahen wir dich dann. Es hat aber nicht funktioniert; ich brauchte noch mehr. Deshalb sind wir gleich nach dir weggegangen und haben es bei mir zu Hause noch mal gemacht.«
    Ich wußte nicht, was ich dazu sagen sollte. Sollte ich gekränkt sein? Johann sagte: »Mein ganzes Leben lang geht das jetzt schon so. So wie ein Diabetiker zu bestimmten festgelegten Zeiten eine bestimmte Menge essen muß, muß ich zu bestimmten Zeiten eine bestimmte Menge ficken. Du kannst dir vorstellen, daß man mit der Zeit ziemlich die Lust daran verliert.«
    »Echt?« ließ sich Cosmos plötzlich vernehmen. Offenbar kriegte er doch mehr mit, als ich gedacht hatte.
    »Nun ja, ein bißchen Spaß macht’s schon noch«, räumte Johann ein. »Aber ich werde nie eine normale Beziehung haben können. Ich werde immer fremdgehen müssen. Übrigens, um eins klarzustellen, ich hatte wirklich vor, Belle zu heiraten. Mit ihrem Geld, dachte ich, würde ich die medizinische Forschung vielleicht ein bißchen vorantreiben können. Martha wollte nicht, daß ich Belle heiratete, aber sie wollte, daß ich geheilt werde. Es war, wir ihr Amerikaner sagt, eine Catch-22-Situation für sie.« Er rieb sich nachdenklich das Kinn. Er sagte: »So gesehen habe ich Belle wohl ausgenutzt. Aber irgendwie fand ich, daß ich dazu berechtigt war,

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