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Der schwarze Kanal

Der schwarze Kanal

Titel: Der schwarze Kanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Fleischhauer
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oben zu gelangen. Auch diesen Einwand kann man für zynisch halten. Aber besteht nicht der wahre Zynismus darin, die Toten einer Naturkatastrophe danach zu bewerten, ob sich ihr Schicksal hierzulande zum politischen Protest eignet?

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Kein Blut für Öl
    Wer hätte gedacht, dass sich der Verteidigungsminister einer bürgerlichen Koalition einmal zu der Vermutung versteigen würde, dass es beim Lufteinsatz der Alliierten in Libyen vornehmlich ums Öl ging? «Kein Blut für Öl» war bis dahin ein Slogan der radikalen Linken, mit dem jedes militärische Eingreifen des Westens zum Schutz der Zivilbevölkerung vor einem Tyrannen als imperialistische Großmachtpolitik entwertet wurde. Aber auch in diesem Punkt zeigte sich die Koalition lernfähig, wie die Einlassungen von Thomas de Maizière im «heute journal» nahelegten.
    Jetzt sind wir also alle Atomkraftgegner. Und überzeugte Pazifisten. Und selbstverständlich wieder ganz eng mit den Demokratieverächtern im Osten. Man kann auch sagen: So einen Schwenk in der Sicherheits- und Außenpolitik hat das Land noch nicht erlebt. Dagegen nimmt sich die Wendung, die Gerhard Schröder seiner Partei nach den Terroranschlägen in New York zumutete, wie eine gemütliche Schunkelpartie aus.
    Deutschland steht nun an der Seite von so «bedeutenden Ländern und auch Partnern wie Brasilien, wie Indien, wie Russland und auch China», um in der Diktion des Außenministers zu bleiben. Das ist ein in jeder Hinsicht bemerkenswerter Erfolg. Das hat nicht mal die rot-grüne Vorgängerregierung hinbekommen, die sich bei ihrem Appeasement gegenüber dem irakischen Diktator Saddam Hussein immerhin der Unterstützung Frankreichs sicher sein konnte. Die Kanzlerin verkündete immer wieder, mit ihr werde es keine deutschen Soldaten in Libyen geben. Dabei sah sie großzügig darüber hinweg, dass es im Uno-Sicherheitsrat nicht um den Kampfeinsatz deutscher Streitkräfte gegangen war, sondern zunächst nur um die Frage, ob die internationale Staatengemeinschaft einem Mann in den Arm fallen soll, den selbst der Bundespräsident kurz vorher als Psychopathen bezeichnet hatte. Doch was soll’s, es war Wahlkampf, da darf man nicht zu zimperlich sein.
    Aber vielleicht blieb uns ja auch gar nichts anderes übrig, als zu den alten Bündnispartnern auf Distanz zu gehen. Wer sich lieber heute als morgen aus der Kernkraft verabschieden will, muss nach anderen Energiequellen Ausschau halten. Da es die Kohle nicht sein kann (ganz, ganz böse, wegen des Weltklimas) und selbstverständlich auch nicht die Windparks im Norden, weil niemand die hässlichen Überlandleitungen vor seiner Haustür haben will, bleiben als Ersatz nur Gas und Öl. Das eine bekommen wir aus Russland, das andere vor allem aus der Wüste. Leider sind die Herrschenden dort nicht so nachsichtig wie die Amerikaner, die uns noch jeden Tritt vors Schienbein verzeihen. Bei Diktatoren muss man sich schon etwas mehr anstrengen, um ihr Wohlwollen zu erhalten, sie sind immer sehr schnell beleidigt.
    So gesehen lief es zunächst gar nicht so schlecht. «Die Deutschen haben uns gegenüber eine sehr gute Position eingenommen», erklärte Muammar al-Gaddafi im deutschen Fernsehen und stellte im Gegenzug Aufträge und andere Hilfeleistungen in Aussicht. Eines muss man ihm lassen: Er ließ sich nicht lumpen. Pech für die Aufständischen in Bengasi, dass ihr Freiheitskampf nicht mit «unserer Interessenlage» (de Maizière) übereinstimmte. Glück für sie, dass sie die Amerikaner auf ihrer Seite hatten.
    Es drängt sich die Frage auf, was genau noch mal so falsch an Rot-Grün war, dass diese Regierung unbedingt abgewählt gehörte. Die Entscheidung, die Steuern so zu senken, wie sich das noch nicht einmal Helmut Kohl getraut hat? Die Art und Weise, wie den Beziehern von Sozialhilfe zugesetzt wurde, wieder Arbeit aufzunehmen? Das sture Festhalten an der Wehrpflicht? Wahrscheinlich haben die Sozialdemokraten im Bunde mit den Grünen einfach die Großindustrie zu sehr hofiert und den Finanzmarkt zu stark liberalisiert. Ach ja, und dann ist da natürlich ihr Zögern beim Ausstieg aus der Atomenergie, das ist im Nachhinein einfach unverzeihlich. Zwischendurch galt es in der Union schon als Widerstandsakt, wenn einer wie der Abgeordnete Thomas Bareiß nicht gleich sein Bekenntnis zur Atomkraft von der eigenen Homepage nahm, das er vor dem Reaktorbrand in Fukushima dort eingestellt hatte.
    Man darf gespannt sein, wie es weitergeht. Noch

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