Der schwarze Kanal
Einfältigkeit der Masse erklären, Volksverachtung gehörte hier ja schon immer zum guten Ton.
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Die fabelhaften Schröders
Wie schön wäre es, man könnte nur Gutes über Gerhard Schröder sagen, der Mann hat sich schließlich einige Verdienste erworben. Er hat der Republik die größte Steuerreform ihrer Geschichte beschert, wir verdanken ihm die Hartz- IV -Gesetze, die einen maßgeblichen Anteil an der wirtschaftlichen Gesundung des Landes haben. Außerdem war er sieben Jahre lang Bundeskanzler – die Achtung vor dem Amt allein gebietet, dass man höflich mit ihm umgeht. Aber genau da beginnt das Problem. So wie die Bürger aus gutem Grund jedem ihrer Kanzler Respekt zollen, sollte sich auch der einmal in das Amt Gewählte eine gewisse Zurückhaltung auferlegen, selbst wenn er dieses wieder los ist. Ein Bundeskanzler kann nicht machen, was er will; das gilt über die Amtszeit hinaus, so dachte man jedenfalls bislang. Aus gutem Grund führt er ja seinen Titel bis zum Lebensende.
Warum nimmt ein ehemaliger Regierungschef Geld von einem Mann, der einen, sagen wir, zweifelhaften Ruf in Deutschland genießt? Diese Frage stellt sich, seit bekannt wurde, dass der Finanzmakler Carsten Maschmeyer seinem Freund Gerd eine Millionen Euro hat zukommen lassen – für die Rechte an Schröders damals noch unveröffentlichten Memoiren, wie es zu diesem merkwürdigen Geschäft heißt. Dass ausgerechnet der Sozialdemokrat, der sich auf seinen Geschäftssinn so viel einbildet, nicht selber in der Lage gewesen sein soll, die vergleichsweise einfachen Verhandlungen rund um sein Buch selber zu führen, ist mehr als kurios.
Schröder scheint fest entschlossen, sich unmöglich zu machen. Tatsächlich gehören zu seinen internationalen Gesprächs- und Geschäftspartnern in überraschend großer Anzahl Leute, die bürgerliche Werte verachten und Demokratie für eine Staatsform für Schwächlinge halten. Auch seine Frau Doris geht bei ihrer Karriere eher ungewöhnliche Wege. Dass sie in den Aufsichtsrat des Handelskonzerns Karstadt berufen wurde, womit sie nun über das Wohl und Wehe von 25000 Mitarbeitern entscheidet, verdankt sie jedenfalls nicht ihrer ökonomischen Sachkenntnis. In jedem anderen Land wäre es ein Skandal, würde die Gattin eines ehemaligen Regierungschefs in ein solches Amt befördert, bei uns ist es Grund, die Durchsetzung der Frauenquote zu loben. Was kommt bei den Schröders als Nächstes, fragt man sich. Ein Beratervertrag mit Assad? Eine gemeinsame Strategieagentur für abgehalfterte Despoten mit Husni Mubarak und seiner Frau Suzanne? Ein Doppel-Aufsichtsratsposten bei den Chinesen?
Irgendwie scheinen der Opposition die Maßstäbe ein wenig verrutscht. Es ist ja noch nicht lange her, dass die Sozialdemokraten im Bund mit Grünen und Linkspartei eine Rückkehr zu Sitte und Anstand gefordert haben. Es war, genau genommen, gerade mal eine Woche bevor die delikaten Engagements der Schröders ruchbar wurden. Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier warf der Kanzlerin vor, die «Glaubwürdigkeit von Politik insgesamt» beschädigt zu haben, weil sie zunächst an ihrem Verteidigungsminister festhielt; Parteichef Sigmar Gabriel erinnerte daran, dass Politiker als Vorbild für Pflichtgefühl, Recht und Ehre dienten. Man hat das gerne gehört. Doch eigenartig, als es um den eigenen Mann ging, raffte sich niemand auf, mal ein deutliches Wort zu sprechen.
So viel Scheinheiligkeit und Verlogenheit war selten in Deutschland, hat die Kanzlerin nach dem Guttenberg-Rücktritt festgestellt. Es fällt schwer, ihr zu widersprechen. Mindestens so bedenklich wie die Schummelei bei einer Doktorarbeit sind Geschäftsbeziehungen, die an Vorteilsnahme grenzen. Aber hat man bei der SPD je ein Wort des Missfallens darüber gehört, dass eine ganze Reihe hoher Regierungsmitglieder unter Rot-Grün mit Posten in der Energiewirtschaft versorgt wurden? Wo blieb der Aufschrei, als sich der ehemalige Innenminister Otto Schily von einer Firma anstellen ließ, die nun die fälschungssicheren Personalausweise produziert, die er in seiner Zeit als Minister einführte?
«Es ist wirklich so weit gekommen, dass die Bezeichnung
ein guter Mensch
nicht verdient, wer nicht regelmäßig heuchelt, so wie er regelmäßig saubere Kleider trägt», heißt es bei dem großen Fritz Mauthner in seinem «Wörterbuch der Philosophie» unter dem Stichwort «Heuchelei».
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Politische Kettenreaktion
Eines muss man der
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