Der schwarze Korridor
paranoid, wie jeder andere auf der ganzen Welt. Du warst nur besser im Wegrationalisieren, das ist alles. Du hast es nicht verdient, daß du davonkommst. Keiner von uns hat es verdient. Du bist clever. Aber jetzt bist du ganz allein.«
»Das ist besser, als euch immer um mich zu haben«, Ryan grinst. »Hau schon ab.«
»Es ist wahr«, sagt Josephine Ryan. »Onkel Sidney hat recht. Zum Schluß haben wir dir deinen Willen gelassen. Für mich und die Jungens schien es kein großer Unterschied zu sein, ob wir nun in einer H-Bomben-Explosion oder in einer Rakete hochgehen würden. Manchmal glaube ich, ich hätte die H-Bombe vorgezogen, um nicht tagaus, tagein deinen selbstgerechten Äußerungen lauschen zu müssen, bis du …«
»Bis was?«
»Bis …«
»Sag’s schon«, Ryan lacht sie an. »Sag es doch, Jo.«
»Bis ich in den Tiefschlaf ging.«
Ryan verachtet sie. Keiner hat seinen Verstand. »Ihr dachtet, ihr könntet hinter meinem Rücken Pläne schmieden. Ihr habt vergessen, daß ich Köpfchen hab’. Ich kann euch alle schlagen.«
Ryan schreit.
Kapitel 22
Ryan geht es besser.
Die Halluzinationen sind vorüber. Einige Träume stören ihn noch, aber nicht ernsthaft.
Er durchquert auf seinem Kontrollgang das ganze Raumschiff.
Alles ist in Ordnung, und wie es sein sollte.
Ryan setzt sich an sein Pult, betätigt einen Schalter und liest mit klarer lauter Stimme seinen Bericht:
»Tag Eintausendvierhundertundneunzig. Das Raumschiff ›Hope Dempsey‹ ist auf dem Weg nach München 15040. Geschwindigkeit konstant bei 9 c. Alle Systeme funktionieren erwartungsgemäß. Keine Abweichungen. Uns geht es gut.
Gezeichnet.
Ryan Kommandant.«
Ryan öffnet nun eine Schublade und entnimmt ihr ein großes rotes Buch. Es ist ein neues Buch, und erst eine Seite ist beschrieben. Er beginnt mit dem Datum und unterstreicht es rot.
Er schreibt:
Ein weiterer Tag, von dem es wenig zu berichten gibt. Ich bin etwas deprimiert, aber gestern habe ich mich schlechter gefühlt, und ich glaube, es geht bergauf. Ich bin ziemlich einsam und wünschte, ich könnte einen der anderen aufwecken, um mich etwas zu unterhalten. Aber das wäre nicht richtig. Ich versuche, mich geistig frisch und körperlich aktiv zu halten. Das ist meine Pflicht.
Ryan beendet seine Eintragung und verstaut sein Logbuch.
Eine Signallampe auf dem Computer leuchtet auf.
Er geht hinüber und liest:
ZUSTANDSBERICHT DER PERSONEN IN DEN CONTAINERN NOCH NICHT ERHALTEN
Ein dummer Flüchtigkeitsfehler. Ryan füttert den Bericht ein.
JOSEPHINE RYAN ZUSTAND UNVERÄNDERT
RUPERT RYAN ZUSTAND UNVERÄNDERT
ALEXANDER RYAN ZUSTAND UNVERÄNDERT
SIDNEY RYAN ZUSTAND UNVERÄNDERT
JOHN RYAN ZUSTAND UNVERÄNDERT
ISABEL RYAN ZUSTAND UNVERÄNDERT
JANET RYAN ZUSTAND UNVERÄNDERT
FRED MASTERSON ZUSTAND UNVERÄNDERT
Er zögert einen Moment und fährt dann fort:
TRACY MASTERSON ZUSTAND UNVERÄNDERT
JAMES HENRY ZUSTAND UNVERÄNDERT
IDA HENRY ZUSTAND UNVERÄNDERT
FELICITY HENRY ZUSTAND UNVERÄNDERT
*************************************************************** IHR EIGENER ZUSTAND
fragt der Computer.
ZUSTAND UNVERÄNDERT berichtet er.
*
Ryan schläft.
Er ist im Ballsaal. Förmlich gekleidete Paare drehen sich in völligem Gleichklang zur Musik. Alle Paare tragen runde schwarze Brillen, die ihre Augen verdecken. Ihre bleichen Gesichter sind im schummrigen Licht nicht zu erkennen.
Ryan wacht auf und lächelt. Er fragt sich, was der Traum wohl bedeuten mag.
Er steht auf und reckt sich. Aus irgendeinem Grund erinnert er sich an den alten Owen Powell, den Mann, den er entlassen muß te, und der Selbstmord begangen hatte. Er hatte sich damals Gewissensbisse gemacht. Er schaltet das landwirtschaftliche Lehrprogramm ein.
Er kann ebensogut ein paar Schulaufgaben machen, bis er wieder schlafen kann.
Er schläft vor dem Bildschirm ein.
*
Das Raumschiff bewegt sich durch die Stille des Weltalls. Es bewegt sich so langsam, daß man meinen könnte, es stünde still.
Es ist ein einsames kleines Objekt.
*
Der Weltraum ist unendlich.
Er ist dunkel.
Der Weltraum ist neutral.
Er ist kalt.
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