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Der schwarze Krieger

Der schwarze Krieger

Titel: Der schwarze Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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sich verfing oder seine Schenkel oder den Sattel traf.
    «Wann lässt ein galoppierender Krieger seinen Pfeil los?»
    Die Umstehenden starrten ihn verständnislos an.
    «Nur dann, wenn sein Pferd mit allen vieren in der Luft ist. Nur dann, für einen winzigen Augenblick, wenn es schwerelos und frei in der Luft schwebt, fliegt der Pfeil ganz unbeeinträchtigt. Lasst ihr einen Pfeil los, während euer Pferd über den harten Boden galoppiert und ihr im Sattel auf und ab hüpft, werdet ihr euer Ziel verfehlen.»
    Die Männer sahen sich an. Einige grinsten, bis Attila auf einmal lospreschte und den aufgespießten Schild in einem Höllentempo umrundete. Sein Pferd schoss mit zurückgelegten Ohren und gebleckten Zähnen dicht am Boden dahin; es bildete eine Einheit mit seinem Reiter. Als Attila vorüberschoss, sahen die Männer durch die aufwirbelnde Staubwolke, wie er die Pfeile in raschen, gleitenden Bewegungen einspannte und einen nach dem anderen abschnellteund wie jeder Pfeil dahinschoss und den schwingenden Schild auf dem Speer traf.
    Ein paar der Männer, die ganz genau hingeschaut hatten, versicherten später, Attila habe tatsächlich die Pfeile just in dem Augenblick abgeschossen, in dem sein Pferd mit allen vieren in der Luft war, ohne den harten Boden zu berühren.
    Attila ritt näher und blickte zurück. In dem Schild steckten elf Pfeile. Der zwölfte hatte den Speer gespalten.
    Zwischen dem Einspannen des ersten Pfeils und dem Abschuss des letzten hatten vielleicht dreißig Sekunden gelegen. Nein, sogar weniger – auf den Gesichtern der Männer zeichnete sich ungläubiges Erstaunen ab. Attila hatte beinahe alle drei Sekunden einen Pfeil abgeschossen, aus dem Stand oder in vollem Galopp, es machte keinen Unterschied. Es wirkte wie ein übernatürliches Schauspiel.
    Seine Brust hob und senkte sich heftig, als er von einem der Männer zum anderen schaute. «Oh, ihr Stinkenden», sagte er leise, «auch ihr werdet lernen, so zu schießen. Und werdet die Welt das Fürchten lehren.»
    ***
    «Mein Bruder Bleda?», sagte Attila zu Chanat beim Zurückreiten.
    «In seinem Zelt.»
    «Bring ihn zu mir. Und Kleiner Vogel?»
    Chanat schüttelte den Kopf. «Er ist noch am Leben. Doch den ganzen Sommer über haben wir ihn nicht zu Gesicht bekommen. Aber er wird zurückkommen.» Er nickte. «Jetzt wird er zurückkommen.»
    Bleda war fett geworden und beinahe kahl, doch seinGesichtsausdruck war unverändert: gefräßig, schläfrig, hinterhältig, verschlagen.
    Attila umarmte ihn herzlich.
    «Mein Bruder», nuschelte Bleda. Er war bereits betrunken, denn die Sonne war untergegangen. «Was für eine Heimkehr! Ich hatte mich immer danach gesehnt, dass der Verräter geschlachtet würde!»
    «Jetzt regieren wir wieder beide gemeinsam», erklärte Attila, hielt Bleda in den Armen und schüttelte ihn. «Wir zwei Brüder, die beiden Söhne Mundschuks. Wir werden das Volk zusammen regieren, denn es gibt viel zu tun!»
    Bleda sah in die flammenden Augen seines jüngeren Bruders und überlegte kurz, ob er ihm sagen sollte, dass er eigentlich keine Lust hatte, das Volk zu regieren. Viel lieber wäre er in seinem Zelt geblieben, zusammen mit dem jungen Mädchen, das er neulich mit Gold gekauft hatte. Gold, das ihm Ruga geschenkt hatte. Die Neue war eine Tscherkessin, und ihr Körper war so weich! Wenn sie   …
    «Doch zunächst», sagte Attila, hielt Bleda von sich und drückte ihn dann wieder an sich, um anschließend in die Hände zu klatschen. «Organisation!»
    Bleda seufzte.
    ***
    Nach Einbruch der Dunkelheit und nach ein paar Bissen Fleisch, jedoch ohne Wein, ging Attila mit Chanat zwischen den Zelten umher. Als Tanjou trug er weder eine Krone noch ein Diadem und auch keine prächtigen byzantinischen Gewänder aus purpurner Seide, sondern nur sein abgenutztes Lederwams, seine Kniehosen mit Bändern und seine Stiefel aus rauem Hirschleder.
    «Herr», setzte Chanat an. «Dein Sklave, Orestes   … Er nennt dich beim Vornamen. Ich habe es gehört. Das ist nicht richtig.»
    «Sklave?»
    «Nun, dein   … Diener.»
    Attila schüttelte den Kopf. Orestes war nicht mehr sein Sklave, aber auch nicht sein Diener. Selbst die Bezeichnungen ‹Freund› oder ‹Blutsbruder› waren unpassend. Es gab keine Bezeichnung für das, was Orestes für ihn bedeutete.
    «Er kann mich nennen, wie er will», sagte Attila und sah Chanat scharf an. «Er allein.»
    Der alte Krieger hatte Einwände, sagte aber nichts.
    Am anderen Ende des großen Kreises aus

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