Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der schwarze Krieger

Der schwarze Krieger

Titel: Der schwarze Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
Vom Netzwerk:
mein Tanjou», bat Chanat.
    Allmählich wechselte die Farbe des Himmels von Schiefergrau zu Hellgrau und schließlich zum Blau des Tageslichts. Wie das feine blaue Seidengewand, das König Ruga getragen hatte, als er erstickte und starb.
    Attila wandte sich zu Orestes um und nickte ihm zu. Der Grieche wusste wie immer bereits, was sein Herr vorhatte. Sie unterhielten sich noch nicht einmal in einer Geheimsprache, wie es unter Freunden üblich war. Sie verstanden sich auch ohne Worte.
    Orestes trieb seinem Pferd die Absätze in die Flanken und galoppierte in Richtung Süden, auf die Siedlungen jenseits der niedrigen Hügel zu.
    «Darf ich fragen, um wen es sich in diesen Lagern dort handelt, Herr?»
    Attila sah Chanat scharf an. «Um meine Familie.»
    ***
    Zwei Tage später, es war bereits später Nachmittag, kam Orestes zurück ins Lager geritten. Er hatte viele Meilen zurückgelegtund war staubig und müde. Hinter ihm folgte eine seltsame Prozession aus Frauen mit ihren Kindern. Die älteren Jungen, die bereits um die fünfzehn Jahre alt sein mussten, ritten auf ihren eigenen Pferden, doch die jüngeren sowie die Frauen fuhren in einem Planwagen, aus dem sie neugierig hervorsahen, als sie das Lager erreichten.
    Man erwiderte ihre Blicke mit ebenso großem Erstaunen. Es gab Debatten, wie viele es waren, doch nach allgemeinem Dafürhalten handelte es sich um sechs Söhne und genauso viele Töchter, dazu die gleiche Anzahl Ehefrauen.
    Attila forderte zwei weitere Zelte in der Mitte des Lagers für sich. In das eine steckte er seine sechs Söhne. Der Älteste war etwa siebzehn, der Jüngste wohl vier oder fünf. Er weinte, als man ihn von seiner Mutter trennte.
    In das andere Zelt wurden die Frauen einquartiert. Bald hatten die Leute im Lager herausgefunden, dass es sich um fünf Ehefrauen und acht Töchter handelte, und sie waren von Neuem erstaunt. Fünf Ehefrauen waren für einen König nicht viel. Doch dass jemand, der nahezu dreißig Jahre durch Skythiens Weiten geirrt war, fünf Frauen besaß und seine Familien vor jedem Strauchdieb verteidigte und zusammenhielt, war schier unvorstellbar. Was für eine Stärke steckte dahinter! Was für eine grausame Wildheit   …
    Die Söhne waren allesamt kräftig gebaut; die Töchter dagegen wunderschön, was darauf hindeutete, dass ihre Mütter alles andere als verstoßene Metzen aus dem Harem eines verkommenen Straßenräubers waren. Die älteren Ehefrauen benahmen sich hochmütig wie Königinnen, und die jüngeren unter ihnen waren im gleichen Jahr geboren wie die ältesten Töchter. Ohne Zweifel war ihr Tanjou ein großer König.
    Die Ehefrau an der Spitze war wohl so alt wie Attila selbst. Sie hatte einen anmutigen, ruhigen Gang. Ihre Augen warengroß und dunkel und ihr Haar zu lockeren Zöpfen gebunden. Sie trug ein schlichtes braunes Wollgewand und als einzigen Schmuck goldene Ohrringe sowie einen kostbaren Haarreif aus Gold. Sie war hochgewachsen und schlank wie eine Königin, doch ihr feingeschnittenes, schönes Gesicht verriet, dass sie kein angenehmes Leben in einem Palast, sondern anstrengende Jahre der Wanderschaft durch unwirtliche Landstriche hinter sich hatte. Ihr Gesicht wies bereits etliche Fältchen um die Augen auf, ihre Haut an den hohen Wangenknochen begann schlaff zu werden, und ihr dichtes schwarzes Haar färbte sich an den Schläfen schon grau.
    Attila hielt sein Pferd an und rief ihr etwas zu, das niemand verstand. Die Frau blieb stehen, sah zu ihrem Herrn hinüber und lächelte dabei, wie über einen heimlichen Sieg. Sie kam auf ihn zu und ging in das schöne blaue Zelt hinter ihm. Die anderen Ehefrauen – jünger, schöner, alle in gebärfähigem Alter – sahen ihr nach. Dann betraten sie ihr neues Zelt.
    «Wie heißt die erste Ehefrau?», fragte Chanat an Orestes gewandt.
    Der Grieche antwortete erst nach einer Weile. «Checa. Königin Checa», sagte er mit einem feinen Lächeln.
    ***
    Lange nach Einbruch der Dunkelheit lag Checa neben ihrem Mann auf dem Rücken, das Gesicht schweißgebadet, ein verspieltes Lächeln auf den Lippen, fast wie bei einem Kind.
    «O großer Tanjou», flüsterte sie und sah mit sehnsuchtsvollen Augen zu ihm hinüber. «Mein Herr, mein starker Löwe, mein Überwältiger, stolzer König und Eroberer. Hast du mich in den letzten Tagen vermisst?»
    «M-hm», brummte Attila mit geschlossenen Augen.
    Checa lachte und fand wenig später in den Schlaf.
    Als sie eine Stunde später erwachte, war Attila

Weitere Kostenlose Bücher