Der schwarze Krieger
gerettet, es mit Sorge und Zuneigung überschüttet und es zu etwas Wertvollem gemacht, und dann wurde sie seiner überdrüssig und bot es dem Flussgott an. Ganz offenbar empfand sie großen Genuss am Spektakel seiner Vernichtung.
Bei den letzten Schreien des Kindes rang sie ekstatisch nach Luft; die Lippen geöffnet, die Augen halb geschlossen, ihr flacher Brustkorb bebte unter tiefen Seufzern. Das Kind rang ebenfalls nach Luft, während seine Lungen sich mit Wasser füllten. Verständnislos schlug es mit den Armen um sich. Der große Kopf tanzte unterhalb des Wasserspiegels, Blasen stiegen zwischen seinen zusammengepressten Lippen auf. Der kleine, missgebildete Körper fiel, fiel durch das klare, sonnenbeschienene Wasser, sank tiefer und tiefer, von der Strömung über den Kiesboden des Flussbettes gezerrt, durch schlankes, schleimig grünes Seegras, bis er dort endlich zur Ruhe kam, fühllos, leblos.
Plötzlich gab es einen Auftrieb im Wasser, und das spuckende schwachsinnige Kind tanzte wie durch ein Wunder in Ufernähe auf den Wellen. Es machte so etwas wie Paddelbewegungen und zog sich hinauf zum Uferschlick, einer urweltlichen Amphibie gleich.
Nach einem Augenblick der Verwunderung schüttelte Enkhtuya den Kopf. Der Flussgott hatte das Opfer als unwürdig zurückgewiesen. Sie ging zu dem Kind hinüber undstellte es auf die Beine. Das Kind heulte und weinte, und sie lachte und wischte mit ihrer Hand das Wasser von seinem nackten Körper. Mit dem Saum ihres Gewandes wischte sie ihm den Rotz von der Nase, fürsorglich, wie eine Mutter es getan hätte. Dann nahm sie seine missgestaltete Hand in die eigene und führte es zurück ins Lager.
Orestes ließ seinen Blick über den unversöhnlichen und gleichgültigen Fluss schweifen. Er hatte mit dem Kind gespielt und es dann wieder an Land geworfen. Heute hatte der Fluss beschlossen, nicht zu töten. Enkhtuya widersetzte sich dem Diktat des Flusses oder der Erde nicht. Orestes fühlte etwas von der Oberfläche des Flusses aufsteigen, kalt wie Abendnebel. Der Tag war inzwischen warm und verheißungsvoll heiter. Doch den undurchdringlichen, unerschütterlichen Griechen befiel dort im hohen Schilf und Röhricht ein unkontrollierbares Zittern, als wäre ihm gerade eine Vision zuteilgeworden, die er lieber nicht gesehen hätte.
Ein aufmerksamer Beobachter hätte Orestes am späteren Morgen entschlossen in Attilas Zelt gehen sehen. Er hätte mitbekommen, wie der König nach wenigen Minuten aufgebracht seine Stimme erhob, und dann hätte er Orestes das Zelt verlassen und davoneilen sehen, die Lippen weiß vor Zorn.
Später hätte er drüben bei den Pferden Orestes und Kleiner Vogel im Gespräch miteinander beobachten können. Nach einer Weile wurden die zwei Männer schweigsam und senkten die Köpfe wie in Trauer.
***
Attila ordnete an, dass ein neuer Palast aus edlem Holz für ihn und die königliche Familie gebaut werden sollte. SeineLeute arbeiteten viele Tage unter großen Anstrengungen daran.
Kleiner Vogel wurde zunehmend unverschämter. Eines Abends am Lagerfeuer, der König war in der Nähe, begann er, Tarkan zu besingen, den heroischen Urvater des gesamten weitgewanderten Hunnenvolkes. Tarkan, sang er, sei sowohl ein Narr als auch ein Weiser gewesen, wie so viele Könige und Herrscher. Anfangs habe er nur in einem Zelt gelebt. Dann aber sei er so mächtig geworden und habe seinen Ruhm so gefeiert, dass Astur, sein Vater, ihm ein Haus errichtet habe. Es war aus bestem Holz gebaut, mit Stürzen aus reinstem Gold und elfenbeinverkleideten Wänden, besetzt mit Jaspis und Chalzedon und jeder Sorte von seltenen Edelsteinen. Ein großartiges Haus, ein Palast, dem ebenbürtig, womit die sesshaften Leute sich brüsteten. Doch Tarkan, der Zeltbewohner, zündete sein Feuer in der Mitte des Hauses an und schlief nach zu viel Kumyss daneben ein – und erwachte inmitten eines Infernos! Brüllend rannte er hinaus, fiel im Regen in den Matsch, trat mit den Beinen um sich und machte Astur bittere Vorwürfe, dass er ihm eine solche Todesfalle als Wohnstatt gegeben habe. Und vom Himmel herab sprach Astur zu ihm: «Du närrischer Held, ich gab dir das edelste Haus, das je ein Gott einem Menschen geschenkt hat. Doch wirst du von heute an kein Haus mehr haben, um darin zu leben, sondern wie alle Hunnen für immer ein Zeltbewohner, Herdenhüter und Nomade auf dieser Erde bleiben, der die Bauern und die Städte verachtet und ebenso verachtet wird von denen, die in ihnen
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