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Der schwarze Krieger

Der schwarze Krieger

Titel: Der schwarze Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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verschwunden.
    Unweigerlich zog es ihn in die Welt. Er spürte ein unbestimmtes Drängen in sich. Allein und ohne Waffen ritt er auf die Ebene hinaus, breitete die Arme unterm Sternenzelt aus und betete zu seinem Vater Astur, der alles erschaffen hatte und alles sah. Er bat um nichts in seinem Gebet. Einstweilen hatte er alles, was er benötigte, und alles Weitere würde er bald besitzen.
    Attila schloss die Augen und lächelte zum Himmel empor. Er wollte in seinem Gebet nur seinen allmächtigen Vater spüren und sich im silbernen Licht des Gottes baden. Einem Licht, das bereits da war, bevor Astur die Erde aus einem Blutklumpen erschaffen hatte.
    Als Attila wieder ins Lager zurückkehrte, ging er in das Zelt der Frauen und legte sich in ihre Mitte. Auch das Mädchen, das er aus Rugas Zelt gerettet und Zabergan geschenkt hatte, war darunter. Die Wunden, die ihr der Alte zugefügt hatte, waren noch deutlich zu sehen. Verschüchtert kam sie auf ihn zu.
    Als der Morgen über der östlichen Steppe graute, lagen fünf weitere Konkubinen auf dem Rücken, die Hand auf dem Bauch und ein unbestimmtes Lächeln im Gesicht. Sie fragten sich, ob sie nun wohl einen Sohn des neuen Königs in ihrem Schoß trugen.
    Attila war bereits wieder verschwunden. Er hatte zwei Stunden geschlafen, und das war mehr als genug. Schlaf ließ ihn ungeduldig werden. «Im Grab ist genug Zeit zum Schlafen», hatte er geknurrt und Orestes von seinem Lager gezerrt.
    Nun, da es allmählich hell wurde, ritten sie bereits überdie Ebene, ein Dutzend Meilen vom Lager entfernt und noch immer in vollem Galopp. Attila johlte und brüllte vergnügt, und Orestes sprang lachend in seinem Sattel auf und ab, weil sein Herr eine so unbändige Energie versprühte. Sie trieben eine Herde Saigaantilopen in einer Staubwolke vor sich her; der Tanjou hatte die Zähne wie ein Wolf gefletscht, als wolle er die ganze Herde verschlingen.
    Dreißig Jahre hatte Attila darauf gewartet, in sein Königreich zurückzukehren. Er war durch menschenleeres Grasland, die Steppe und schließlich die Wüste ganz im Osten geritten, mit hochgezogenen Schultern, um sich gegen den beißenden Sand und die bittere Einsamkeit zu schützen. Einer jedoch blieb immer bei ihm und würde auch jetzt nicht von seiner Seite weichen, obwohl sein Herr es ihm zuweilen befahl. Selbst wenn seine Treue auf eine harte Probe gestellt wurde, blieb Orestes bei ihm und war untrennbar mit ihm verbunden wie ein Schatten.
    In einem weitentfernten, versteckten Tal in den Weißen Bergen – so erzählten es sich die faszinierten Menschen, die Attila nun ihren Tanjou nannten – hatte er ein Räuberkönigtum errichtet und zahlreiche Männer um sich geschart. Und Frauen. Doch die Frauen waren bereits mit ihm gekommen, weiter in Richtung Westen gezogen, näher zu seinem Ursprung in der Nähe der Weidegründe am Schwarzen Meer. Die Männer aber warteten noch immer dort im Osten.
    Nur sollte jetzt, wo diese Jahrzehnte in der Wüste vorüber waren, alles neu beginnen. Eine frühere Rückkehr wäre Attila nicht möglich gewesen, der gesamte Stamm hätte sich gegen ihn aufgelehnt. Doch er hatte im Exil gebüßt, in den Jahren der Trennung von seinem Volk, seinen Schamanen, seinen Göttern. Und nun war die Zeit gekommen. Nun war es an der Zeit, wieder in sein Königreich zurückzukehren und sich ander Welt zu rächen, die ihn so erniedrigt und herabgesetzt hatte. Attila hatte Verachtung und Schmähungen ertragen, Schläge, brutale Angriffe, eisiges Schweigen und tiefste Herablassung, und wie jeder Ausgestoßene war er ohne einen Fürsprecher gewesen. Man hatte ihn als den Anführer einer Räuberbande behandelt, obwohl er doch der Sohn und Enkel von Königen war!
    Die Welt ist eben kein gerechter Ort, zumindest ist sie es nur für die Mächtigen.
    Als er vor so vielen Jahren in die Wildnis geritten war, ein Junge mit gebrochenem Herzen, hatte niemand ihn tatsächlich für einen Verräter gehalten. Dennoch stellte Rugas Verdikt an jenem sonnenhellen Morgen den Willen der Götter dar, und niemand konnte sich dem widersetzen. Hätte irgendjemand aus dem Stamm während der Jahre des Exils und der Verbannung mit Attila gesprochen oder ihn heimlich bei sich aufgenommen, wäre ihm eine schreckliche Strafe sicher gewesen. Niemand hätte es gewagt, so weit zu gehen.
    Nun war er wieder zurück, und eine Aura des Geheimnisvollen umwehte ihn. Schließlich hatte er ohne Stamm in der Wildnis überlebt, ganz allein bis auf seinen schweigsamen,

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